Kapitel 2

TierheimDer Tag des Umzugs rückte näher. Endlich sollten die Hunde aus dem Behelfstierheim in das neu gebaute Tierheim nach Giessen Wieseck umziehen. Ich hatte in der Zeit meiner regelmäßigen Besuche im Unteren Hardthof einige aktive Mitglieder des Vereins und die damalige 1. Vorsitzende, Frau Hildegard Reusch, kennen und schätzen gerlernt. Auch eine Tierärztin hatte sich aktiv eingebracht, stand mit Rat und Tat zur Seite. Bis zum heutigen Tag habe ich den Kontakt zur Frau Rethorn nicht verloren. Zu ihrer unermüdlichen Arbeit im Verein später mehr.

Ich war bei den Vorbereitungsarbeiten für den Umzug involviert und freute mich, helfen zu können. Endlich konnten die Hunde aus der dunklen Unterkunft umziehen. Endlich Platz, Licht, Sonne und Ausläufe!

Frau Rethorn schaute vor dem Umzug noch einmal nach den Tieren, um ihren Gesundheitszustand zu bescheinigen.

Im Jahre 1976/77 war der Tierschutzverein Giessen bettelarm. Die Giessener Veterinärklinik half in bescheidenem Rahmen aus. Impfungen jedoch wurden zu damaligen Zeiten so gut wie nicht vorgenommen, da die finanziellen Mittel fehlten. Das sollte sich nun bitter rechen. Die Tierärztin stelle den Ausbruch von Staupe bei einigen Tieren fest. Ein Schock für uns alle! An einen Umzug in das neue Tierheim war nicht mehr zu denken. Frau Rethorn sowie der Vorstand sprach ein Verbot aus. Wir alle waren tief traurig und hatten Angst um die Tiere.

Sofort wurden allen Maßnahmen ergriffen, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Ein trauriger Anfang im Tierschutz für eine junge Tierärztin! Ein Schock für uns alle. Wir sprachen uns gegenseitig Mut zu. Die Presse, kommunale Politker und die Mitglieder mussten verständigt werden. Statt der Einweihungsfeier mit der Öffentlichkeit triste Stimmung und Verzweiflung. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

Am nächsten Tag trafen wir uns am Unteren Hardthof. Die Tiere mussten behandelt werden. Wir wurden schon unruhig, als kein Hundegebell zu hören war. Eine lähmende, beängstigende Stille.

Alle Hunde weg! Wir schauten uns ratlos an, Verzweiflung machte sich breit. Man wird doch nicht..........Nein das konnte nicht sein! Niemand ist so verantwortungslos und hat die Hunde ins Tierheim gebracht. Wir fuhren sofort nach Wieseck ins Tierheim und trauten unseren Augen nicht. Fünfig Hunde, davon die meisten krank bis schwer krank, waren im neu gebauten Tierheim. Sie liefen im Hof und waren in den Zwingern. In einer Nacht- und Nebelaktion hatte das Pflegerehepaar und einige ihrer Anhänger die Hunde mit privaten Autos ins Tierheim gefahren. Sie hatten sich allen Anweisung widersetzt. Ja behauptet, dass die junge "unerfahrene" Tierärztin keine Ahnung hätte. Die Hunde seien erkältet und hätten keine Staupe.

Wir waren fassungslos- es verschlug uns die Sprache. Was nun?

Es begann eine Zeit des Kummers und der Sorgen. Angst, ja Panik erfasste mich. Ich fragte mich so oft, warum tue ich mir das an?

Man muss sich vor Augen führen, ein neu gebautes Tierheim voller kranker Hunde. 6000 DM betrug das damalige "Vermögen" des Vereins. Wie sollte es weiter gehen? Wie die Tierarztkosten bezahlen? Wie die Hunde versorgen? Wohin mit den neuen Hunden, die ins Tierheim gebracht werden sollten? Und das alles mit einem Pflegerpaar, welches Anordnungen nicht ausführten?

Es begann eine arbeitsaufwendige Zeit, schier unmögliche Aufgaben mussten gelöst werden. Meine Aufgabe im Tierschutz gestaltete sich ganz anders, wie ich erwartet hatte. Hunde sah ich so gut wie nicht, stundenlang saß ich am Telefon um Gelder zu beschaffen und Menschen zu finden, die Fund- und Abgabetiere aufzunehmen.

Und eigentlich wollte ich doch nur meinen gefundenen Igel abgeben und mit Hunden spazieren gehen!

Nach einigen Wochen des Bangens und Hoffens war es geschafft. Frau Rethorn hat unmenschliches geleistet. Leider sind etliche Hunde gestorben oder mussten eingeschläfert werden. Der Anfang im Tierheim war ein trauriges Kapitel.

Der verbliebene Bestand der Hunde wurde gesund. Eine tierärztliche Routine mit Impfungen und Entwurmungen gehörten nun zum Standart.

Das Ehepaar Porto musse das Tierheim verlassen. Ein neues Pflegepaar kam. Monika Fründt und Jörg Trenkhahn brachten nicht nur Fachwissen mit, sondern eine gesunde und fröhliche Art, mit Menschen und Tieren umzugehen. Und ich konnte mich endlich den Hunden widmen, spaziergehen, sie pflegen und beschmusen und ein schönes Zuhause finden.

Öffentlichkeitsarbeit- das sollte meine Aufgabe werden.

Doch die nächste Katastrophe ließ nicht lange auf sich warten.

 
   
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