Kapitel 16

Was mir in trauriger Erinnerung geblieben ist, ist die Beschaffung der vielen Hunde und Katzen, die von Händlern gekauft, gestohlen oder gegen Bürsten und Besen bei Landwirten und Schäfern eingetauscht wurden.
Die gestohlenenTiere- unter ihnen viele verzweifelt gesuchte Haustiere, wurden an Labore verkauft. Heute ist das undenkbar- auch wenn es noch immer Versuchstiere gibt- leider.
In den achtziger Jahren zogen dubiose Männer durch die Dörfer, um Hunde und Katzen zu "sammeln"!
Viele Tierschützer waren damals tätig, um diesen Kerlen das Handwerk zu legen.
Einen dieser Typen war in unmittelbarer Nähe des Tierheimes. "Gute Hunde" verkaufte er an die Armee im In- und Ausland. Die "schlechten" Hunde waren seine Kistenhunde, die für den Versuch bestimmt waren. Wir bekamen Kontakt zu diesem Mann. Wir wollten retten, was zu retten ist und boten ihm Geld für die Hunde. Viele Tierfreunde unterstützten uns finanziell. Es war klar, er würde neue Hunde beschaffen. Doch wenn man diese armen, verängstigten Kreaturen geduckt am Boden liegen sah- wir mussten sie mit ins Tierheim nehmen.
Es waren viele Jagdhunde, Schäferhunde oder Hütehunde dabei. Unbrauchbar für den Zweck, den sie nicht erfüllen konnten. Jagdhunde, die ausgemustert waren- zu alt, nicht tauglich. Schäferhunde, die zu freundlich waren, nicht schussfest, Hängeohren hatten oder Einhoder waren. Sie mussten verschwinden, um den Zwingernahmen einiger Züchter nicht in "Verruf" zu bringen. Alte Hütehunde, die ihr Leben gearbeitet hatten- sie waren ihrem Herren das Gnadenbrot nicht wert.
Es sprach sich herum in den Händlerkreisen, dass das Tierheim Hunde von ihnen abkauft.
Eines Tages stand Karlchen Kuhl im Tierheim. Der Vogelsberger war ein "kleines Licht" unter diesen Händlern- aber ein Konkurrent!
So kam Karlchen eines abends ins Tierheim und bot seine "Ware" an. Lange blieb das nicht unentdeckt- der Händler am Tierheim lauerte ihm auf. Eigentlich war das, was dann passierte eine Posse und reizte unsere Lachnerven- auch wenn das Ende nicht lustig war.
Gerade als er drei Hunde aus dem Auto zerrte, bog sein Widersacher um die Ecke. Das kleine Karlchen gab Gas, rannte mit Windeleile ins Tierheim und wollte sich im Büro verstecken. Vor Angst fielen ihm bald die Augen aus dem Kopf! Er umklammerte mit beiden Händen die Türklinke um zu verhindern, dass Herr B., um ein vieles größer als er, ins Büro stürmte. Karlchen hatte keine Chance! Mit einem Ruck flog die Tür auf- und B. baute sich vor dem Männlein auf.
Das alleine wäre so schlimm nicht gewesen- wenn da nicht der Rottweiler in Position stand.
Jeder Hund ist wie sein Herr- und der war in diesem Fall kein Lieber! Grollend und mit Schaum vorm Maul stand der wuchtige Hund vor Karlchen! Da gab es kein Entrinnen! B. mit seinem Hund trieben den Bedauernswerten vor sich her bis vor das Tierheim. Dort gab es einen Graben, und der war nass! Der kleine Kuhl stolperte und fiel rückwärts in den Graben. Ehe er aufstehen konnte, stand der Rotti mit tiefendem Maul über ihm. Bei jeder Bewegung und dem Versuch, sich aus der mißlichen Lage zu befreien, wurden die Töne des Hundes garstiger.
Karlchen Kuhl musste dem Herrn B. das "heilige Ehrenwort" geben, nie mehr Hunde ins Tierheim zu bringen. Das wäre alleine sein Job.
Jetzt werdet Ihr Euch fragen, warum ich nicht geholfen oder die Polizei gerufen habe. Für mich war es eine gerechte Strafe für einen dieser herzlosen Menschen, die ohne jegliches Mitleid Tiere in Labore brachten und sich damit ihren Judaslohn verdienten. Er sollte wissen wie das ist, hilflos einer Situation ausgeliefert zu sein- so wie die Tiere.
Ich war sicher, den Kuhl sehe ich nie wieder! Dachte ich, denn eines nachts fuhr ein Auto auf unseren Hof und ein Mensch klopfte an die Scheibe. Mir fiel das Herz ein Stück tiefer, ich war alleine im Haus!
Ran an den Feind, kam mir in den Sinn! Ich schaute aus meinem ebenerdigen Schlafzimmer und blickte- mitten ins Gesicht von Karlchen Kuhl!
Welche Worte ich ihm an den Kopf war, das entsprach nicht meiner Kinderstube. Im Auto hatte er einen Schäferhund und einen Boxer. Er wollte 100 DM, dann bekäme ich die Hunde. Was tut man in so einem Fall? Ja, ich gab ihm das Geld, packte in Hunde in mein Auto und fuhr ins Tierheim.
Karlchen haben wir aus den Augen verloren, Herr B. blieb uns erhalten und beschäftigt mich bis zum heutigen Tag .
Seine damaligen Worte: " ich mache mit Hunden solange ich atme" - das hat er gehalten. Nicht mehr mit Versuchshunden, denn diese Form der Beschaffung von Laborhunden ist verboten. Heute werden die Hunde und Katzen für Versuche gezüchtet. Auch das ist ein trauriges Thema. Aber gestoppt wurde, dass Familien ihre Haustiere gestohlen wurden.
Das Kapitel Versuchstiere hat mich lange, lange Jahre begleitet und beschäftigt. Vergessen habe ich es nie.
Zwei dubiosen Hundehändlern konnten Frau Rethorn und ich beweisen, dass sie Betrüger waren. Gefälschte Impfausweise, illegale Beschaffung von Tieren, auch aus dem Ausland. Schlimmste Unterbringung und Behandlung der Tiere bis zur Auslieferung in die Labore.
Wir haben Dinge gesehen, die in meinem Kopf eingebrannt sind. Dass Menschen zu solch einer ungeheuerlichen Behandlung von Tieren fähig sind, war mir unbegreilich. Sie horteten die Tiere in grauenhaften Unterkünften. Der Tod als Versuchungstier war ihr Ende. Sie quälten die armen Kreaturen solange diese in ihren Händen waren.
Mit mehreren jungen Leuten fuhr ich eines Tages zu dem Händler, der bekannt war als Tierquäler.
Uns war zugetragen worden, dass dieser wieder eine Lieferung Hunde bekommen und sich beschafft hatte.
Unser Einlass auf das Grundstück war nicht legal. Uns war das egal- wir schafften uns mit der notwendigen Gewalt den Zutritt. Was wir da sahen, verschlug uns die Spache. Ich konnte mich nicht beherrschen. Ich brüllte diesen Typen an und war nahe daran, ihm eine ins Gesicht zu schlagen. Man hielt mich zurück- aber in diesem Moment wusste ich, was Mord im Affekt ist. Als dieser widerliche Kerl dann mit einer Mistgabel auf mich losging, platze dem einen jungen Mann der Kragen und er hatte die Ohrfeige, die ich ihm nicht geben durfte.
Es gab eine Gerichtsverhandlung. Er bekam Berufsverbot. Die Tiere wurden auf Tierheime verteilt.
Wir jubelten vor Freude, einer weniger von diesen Typen. Doch wir hatten uns zu früh gefreut. Seine Frau machte weiter.
Verstanden hat das niemand von uns. Denn für die Tiere änderte sich nichts.
Ich habe erfahren, dass auch Hunde in die Physiologie nach Giessen geliefert wurden. Ich recherchierte und lernte eine Frau kennen, mit der mich über Jahre eine Freudschaft verbinden sollte.
Mit ihrer Hilfe konnte ich vor dem Versuch immer wieder Hunde und Katzen aus dem Labor abholen. Frau Dr. M. ist vor vielen Jahren gestorben. Unsere gemeinsame, nächtliche Rettung der Tiere war nicht legal. Aber das ist verjährt!
Unsere gemeinsamen, abenteuerlichen "Raubzüge" erzähle ich Euch im nächsten Kapitel.

 

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