Kapitel 28

Und dann kam Jessica!

Mein Seelenkater Stumpi liebte alle Menschen und hasste Artgenossen "bis aufs Blut"!
Deshalb war ich unschlüssig, was ich mit der kleinen Katze machen sollte, die mir eine Dame in die Hand drückte. Sie hatte sie in der Scheune gefunden. Das kleine Ding sah nur auf den 2. Blick aus wie eine Katze.
Die Nabelschnur hing noch am Bäuchlein, sie war schmutzig und winzig, wenige Stunden alt.Ich legte sie in einen Handschuh und wollte das wimmernde "Etwas" zu unserer Tierärztin fahren. Diese Geschichte ist 35 Jahre her und die Aufzucht neu geborener Katzen war zu dieser Zeit ein "Fremdwort"!
Ich konnte den Winzling nicht verhungern lassen- da blieb nur die traurige Aufgabe, das Tierchen einschläfern zu lassen.
Auf dem Weg in die Praxis fing das Minikätzchen an, laut und energisch zu schreien. Da steckt so viel Lebenswille drin, dachte ich bei mit- ich probiere es , sie aufzuziehen.
Also fuhr ich wieder nach Hause, legte das Miezchen auf eine Wärmflasche und Futter ein. Katzenmilch musste in in der Apotheke bestellt werden . Ich holte ein "Liebesperlenfläschen", Dosenmilch und Instantflocken für Babys. Mit Herzklopfen begann ich zu füttern! Und was ich nie gehofft hatte, das Kätzchen "tretelte" an der Flasche und saugte wie ein Profi! Bäuchlein reiben, sauber machen und in einen gepolsterten Schuhkarton mit Wärmflasche legen.
Es war ein Mädchen und bekam den Namen Jessica.
Jetzt kam die Stunde der Wahrheit, Stumpi, der schon längst "Lunte gerochen gerochen" hatte, stürmte zum "Babybettchen"! Die Kleine wurde genau berochen. Und als sie Tönchen von sich gab, machte mein Kater einen olympiareifen Luftspruch und ein Gesicht, das man nicht beschreiben kann. Man sah ihm an, dass er überlegte, was er tun sollte. Er ging wieder zu dem Minimiezchen und beschupperte es ausgiebig. Ich war "Einsatz bereit", falls er sie mit einer Maus verwechselte sollte.
Das unfassbare jedoch geschah, er fing an, Jessica zu putzen und legte sich neben den Karton. Ob Stumpi dachte, dass es seine Tochter ist, das blieb sein Geheimnis. Der Beginn einer großen Katzenliebe!
Jessica wollte nicht alleine sein. Also kam sie in einen Klammerbeutel, der mir immer um den Hals hing. Zweimal musste ich nachts aufstehen, um sie zu füttern, immer begleitet von Stumpi, der alles genau beobachtete. Er putzte sie sauber und war fürsorglich wie ein Papa!
Jessica gedieh, wurde größer und frecher. Sie tapste inzwischen am Boden umher, immer von Stumpi begleitet.
Eines Tages fiel mir auf, dass sie viel Fell verlor. Nur am Kopf hatte sie noch ihre Haare und sah aus wie ein Irokese.
Ich marschierte zur Tierärztin, die mich aufklärte, dass Katzenmilch sehr fett ist und ich die Nahrung umstellen muss. Sie bekam nun süße Sahne zu ihrem Fläschen und sieht da, die Haare wuchsen !
Als sie alleine zu fressen begann, stellte ich ihr Katzenfutter hin. Mit ekelverzerrtem Gesichtchen wandte sie sich ab und schaute mich vorwurfsvoll an. Sie musste jetzt aber Fleisch mit zu ihrer Nahrung bekommen. Ich holte Tatar, vermischte es mit Flocken und Dosenmilch zu einem "Matschebrei"!
Gierig roch sie daran und blieb laut klagend vor dem Näpfchen sitzen. Was blieb mir übrig! Ich fütterte sie mit einem Eierlöffel. Einfach war es nicht, die Katze war verschmiert, ich hatte die Pampe in den Haaren, im Gesicht und dekorativ am Tisch. Aber Jessica war satt und Stumpi putzte sie genussvoll.
Hätte ich gewusst, dass ich 13 Jahre lang eine Katze hätte, die niemals alleine frißt, ich hätte mir das mit dem Füttern gut überlegt!
Wenn Jessica Hunger hatte, sprang sie auf die Fensterbank, stieß ihre "Hungertöne" aus und ließ sich füttern. Stumpi saß schon in "Habacht Stellung"- er war das Putzkommando! Und das zweimal am Tag, 365 Tage im Jahr und 13 Jahre Katzenleben!!
Ich war dankbar, dass die kleine Lady wenigstens ein bißchen Trockenfutter knabberte!
Eine außergewöhnlich Katze meint Ihr? Ja, aber es wird noch besser.
Jessica wollte ihr Lutschbedürfnis stillen. Und wo? Am Ohrläppchen! Jawohl, Ihr habt richtig gelesen! Aber nur an "Frauenohrläppchen"! Meine ungarische Schwiegermama, die damals sechs Monate bei uns gelebt hat, meine Tochter und ich mussten mehrmals am Tag daran glauben.
Es war ein Ritual- Jessica machte ihr "Lutschgesicht"- dann war es wieder soweit. Sie machte ein spitzes Mäulchen, stülpte die Barthaare nach vorne, fing an zu "treteln" und suchte sich ihr Opfer aus. Zielsicher marschierte sie zu einem von uns dreien, stellte sich auf die Hinterbeine und wäre gnadenlos an uns hoch gelaufen, wenn wir sie nicht hoch gehoben hätten. Katzenzungen sind rauh, die Saugkraft gewaltig- und so sahen unsere Ohrläppchen auch aus. Feuerrot und schmerzhaft! Wir passten gut auf, dass die Reihenfolge eingehalten wurde und die "Saugopfer" keinen "Leerlauf" hatten.
Ihr meint: das hätte ich ihr aber abgewöhnt und schnell beendet! Hättet Ihr nicht, denn Jessica war unnachgiebig! Sie verfolgte ihr Opfer und ließ keine Ruhe! Und akkustisch war sie auch gut dabei!
Als meine Schwiegermutter nach einem halben Jahr wieder nach Hause fuhr, brachten wir sie zum Bahnhof. Na toll, dachte ich, jetzt auch noch zwei Ohren weniger.
Ein Abteil fuhr bis Budapest und war gut besetzt mit Ungarn. Die Ohrläppchen meiner Schwiegermutter hatten eine kräftige Farbe und leuchteten in der Sonne! Die ungarischen Mitreisenden betrachteten neugierig die Schwiegermutterohrläppchen. Bis einer den Mut hatte und fragte, was denn mit den Ohren passiert sei. Ehrlich und aufrichtig, wie meine Schwierermutter war, sage in die Menge: das ist die Lutschkatze meiner Schwiegertochter gewesen. Sie braucht das, um glücklich zu sein.
Zunächst war eine Grabesstille. Dann brach ein dröhnendes Gelächter los. Die Leute haben sich nicht mehr "eingekriegt"! So etwas hatten sie bestimmt noch niemals gehört! Ich wäre am liebsten zusammen mit meiner Tochter Nicole in das berrühmte Mauseloch gesunken. So schwer uns der Abschied von meiner Schwiegermutter fiel, ich war froh, als der Pfiff ertönte und der Zug abfuhr.
So ist diese Geschichte in Ungarn gelandet und wurde mit Sicherheit hundertfach weiter erzählt.
Die kleine Jessica war etwas besonderes- wie eigentlich ja alle Tiere. Sie war eben was ganz besonderes
Sie war eine kleine Kämpferin, die schon im zarten Alter von wenigen Stunden ihren Willen zeigte, die uns viele Jahre als "Bedienstete hielt" , uns ihren Willen aufzwang und doch so unendlich viel Freude in unser Leben brachte.
Kleine Jessica, bestimmt hat sie auch im Katzenzimmer ein "Lutschopfer" gefunden!

 

Kapitel28

 

 

 

   
© Copyright 2018. All Rights Reserved.