Kapitel 35
 
Der Kampfigel!
 
In die Praxis meiner Tochter Nicole wurde ein verletzter Igel gebracht. Das Datum werde ich nie vergessen, denn es war der Geburtstag meines Mannes, am 28. April im Jahre 2011.
Das Unglück hatte das Tierchen sicherlich ereilt, als er nach dem Winterschlaf auf Nahrungssuche war. Schlimm sah der arme Kerl aus! Wir vermuten, dass er den Kürzeren gezogen hatte im Streit mit einem kleinen Raubtier oder einem Hund!
Das war ungewöhnlich, denn bei Gefahr rollen sich Igel zum eigenen Schutz zusammen. Diese stachelige, wehrhafte Kugel ist so leicht nicht zu "knacken"!
Das Kerlchen ließ alle Behandlungen in der Praxis über sich ergehen. Sichtbar ging es ihm schlecht. Er war übersät mit Zecken, die alle mühsam entfernt wurden. Die Entwurmung hatte er gut vertragen.
Die Verletzung am Kopf und Auge machten der Tierärztin Sorgen. Doch ein Tier einfach so aufgeben, das kommt nicht in Frage. Die Wunden wurden gereinigt und versorgt. Das Auge war nicht mehr zu retten. Es musste entfernt werden.
Einige Tage "hing der kleine Kerl in den Seilen"! Er wollte nicht fressen und rollte sich nicht zusammen. Das war kein gutes Zeichen!
Wir gingen auf Suche nach Regenwürmern- und fanden keine!
Also kauften wir im Zoogeschäft Maden! Für uns eklig, doch dem kleinen Kerl lief das Wasser im Munde zusammen und schmatzend machte er sich über die Leckerei her.
Es dauerte nicht lange und er nahm auch das Katzenfutter an.
Dass so ein kleines Tier solche Mengen verputzten konnten war bemerkenswert.
Wir dachten, dass er ein ganz besonderer Igel ist der sich nicht zusammen rollt, wenn er angefasst wird. Vielleicht war er eine Handaufzucht und Menschen gewohnt.
Der Käfig sah täglich aus wie eine Müllhalde- Igel sind "Dreckspätze!- und da machte dieser keine Ausnahme. Die Futterschüssel war gleichzeitig auch das Klo. So ein Ferkel - dachten wir oft, denn mehrmals täglich war Reinigung angesagt.
Je besser es dem Igel ging, umso unternehmenslustiger wurde er. Er zeigte uns deutlich, dass der Käfig zu klein für ihn wurde.
Das Hochnehmen zur Behandlung des Auges wurde immer schwieriger. Er attackierte unsere Hand- und das nicht tonlos.
Seine Angriffe schoben wir auf seine Unzufriedenheit mit dem Käfig.
An ein Aussetzen im Garten war aber noch lange nicht zu denken. Die Wunde am Kopf war noch nicht völlig verheilt und die Operationswunde am Auge musste weiterhin gut beobachtet werden. Eine weitere Gefahr waren die Fliegen, die Eier in die Wunde legen würden und lebensbedrohlich für den Igel waren.
Wir beratschlagten und beschlossen, ihn ins Katzenzimmer zu setzen. Die Katzen waren keine Gefahr für ihn und er nicht für die Katzen- dachten wir.
Gesagt getan, das Katzenzimmer sollte bis zur vollständigen Genesung sein Zuhause sein.
Neugierig kamen die Katzen näher, um den sonderbaren, neuen Gast zu begutachten. Es war zu lustig, wie vorsichtig die Miezen sich dem Igel näherten. Irgendwie wurden sie immer länger und schienen sich nur mit den Vorderbeinen vorwärts zu bewegen.
Und unser Igel? Er harrte auf einem Platz aus und schien mit der neuen Situation nichts anfangen zu können. Witzig sah es schon aus, wie schief er sein Köpfchen hielt, um mit einem Auge alles gut beobachten zu können.
Dann passierte es! Für uns völlig überraschend griff er die Katzen an! Ich wusste gar nicht, wie schnell ein Igel laufen kann. Völlig verdutzt sprangen die Katzen auf einen Kratzbaum oder in "luftige" Höhe auf ihre Sitzbretter.
Irritiert suchte der Igel den Raum ab nach seinen "Feinden"!
Als er seine Inspektion beendet hatte, stand er einem Moment reglos da! Er schien zu überlegen, was zu tun war.
Dann rannte er auf unsere Füße zu und griff die Schuhe an! Und das nicht tonlos! So schnell konnten wir gar nicht reagieren und blieben ungläubig wie angewurzelt stehen. Er biß in die Schuhe und wie ein kleines Böckchen wollte er diese wegschieben! Einen Schuh alleine hätte er "bis aufs Blut" bearbeitet und ihn durch den Raum geschoben. Mit Mensch im Schuh gelang das natürlich nicht. Er wurde wütend und ging zum nächsten Schuh über!
Ja Kamerad, dachten wir, jetzt musst Du eben wieder in den Käfig! So einen Igel konnten wir den armen Katzen nicht antun. Schließlich war es ein Katzenzimmer und sie hatten Hausrecht.
In den Käfig konnten wir nur noch mit Handschuhen greifen. Denn jetzt war Feind Nummer eins die Hand. So einen garstigen Igel hatten wir noch niemals erlebt.
Die Wunden waren drei Wochen später abgeheilt. Einfach zurück in die Natur konnten wir einen Igel mit nur einem Auge nicht setzen.
Als Nicole mich ansah wusste ich, was mir blühte!
Er kam in unseren Garten. Wir haben ihn abends in sein neues Revier gebracht. Einige Tage verbrachte er noch in einer kleinen Voliere. Dann setzten wir ihn vor den überdachten Eingang des Hauses, wo er abendlich sein Futter bekommen sollte.
Oh, hätten wir doch einen anderen Platz gewählt.
Pünktlich stand er jeden Abend vor der Tür! Und er wich keinen Zentimeter vom Platz- bis ich einen Fuß vor den anderen setzte! Aber das kann ich ja schon und hatte gelernt, heil durch die Gefahrenzone zu kommen.
Das Spielchen ging einige Wochen so. Dann änderte er seine Taktik! Er saß "gequetscht" an der Eingangstür und wenn ich sie öffnete, purzelte er in den Flur! Na das war eine Gaudi! Der Igel fand das toll- ich weniger, denn es gelang mir nicht, ihn aus dem Haus zu befördern. Als er dann die Innentreppe vom Haus erklimmen wollte, wurde es mir zu bunt! Ich ließ mich doch nicht von einem Igel tyrannisieren! Ich nahm meinen Schrubber und fegte ihn vor die Haustür!
Und ob Ihr es glaubt oder nicht, dieses Spielchen wiederholte sich Tag für Tag und Abend für Abend! Über Jahre! Nur zur Winterruhe des Igels hatten auch wir Ruhe!
Wir haben schon immer Igel im Garten- aber so einen Typ hatten wir nie! Und ehrlich, wollen wir auch nicht.
Aber als er eines Tages nicht mehr kam, hat er uns trotzdem gefehlt. Und noch einige Tage nach seinem Verschwinden wollte ich ihn aus alter Gewohnheit füttern- mit dem Besen in der Hand!
 
 
 
Kapitel35  Kapitel35 2  Kapitel35 3  Kapitel35 4
 
 
 
   
© Copyright 2018. All Rights Reserved.