Kapitel 36
 
Es darf gemeckert werden!
 
Es war kalt, nebelig, nass und ein Wetter, wo man am liebsten mit einem heißen Tee in der warmen Stube sitzt! Ein typisches Novemberwetter! Der passende Anruf kam am Nachmittag! Ausgesetzte Ziegen!
Also schnell in Gummistiefel und Regenmantel geschlüpft, Helfer angerufen, ab ins Auto und schnell zu dem Ort des Geschehens.
Das abgelegene Grundstück war schnell gefunden. Der beißende Geruch unkastrierter Ziegenböcke waren bessere Wegweiser als ein Navi.
Der Landwirt, selbst Besitzer einer Ziegenherde mit Muttertieren und Lämmern, wollte natürlich seinen gesunden Bestand nicht gefährden Mit Tieren unbekannter Herkunft und hatte Polizei und Veterinäramt ebenfalls verständigt.
Da weder Autoverkehr noch Menschen gefährdet waren, fuhr die Polizei schnell wieder fort.
Der Amtstierarzt Herr Dr. Sch. schaute mich an- ich schaute den Amtstierarzt an. Und nun? Den Satz von dem netten Amtstierarzt hatte ich schon oft gehört: "Frau Toth, Sie kennen doch so viele Leute! Und Sie können sicher helfen!"
Na klar doch! Ich habe täglich mit Ziegenhaltern zu tun!
Also wohin mit der "Meckermeute" ?
Während wir uns noch ratlos um die Ziegen scharten und ihren Duft genossen, fiel mir etwas ein! Herr K. aus Lützenlinden! Er hatte Ziegen, Schafe und allerlei "Getier" auf seinem Hof. Darunter einige Tierschutztiere! Seine Telefonnummer war schnell gefunden. Ich erzählte ihm von der Notsituation. Er sagte sofort seine Hilfe zu. Er holte die Ziegen sogar ab! Da standen wir nun alle traut vereint- Auge in Auge mit den Ziegen! Sechszehn Augen blickten uns an- und genauso viele Hörner flößten mir schon Respekt ein.
Ruhig gingen wir auf die Ziegen zu. Jetzt begann ein lustigen Treiben! Behutsam näherten wir uns den Ziegen. Die Ziegen schalteten den Rückwärtsgang ein. Wir blieben stehen, die Ziegen bleiben stehen. Das ging eine ganze Weile so- ohne jeglichen Erfolg.
Der Ziegenbauer schaute uns belustigend zu. Immer wieder vor und zurück! Es muss wie ein Tänzchen ausgesehen haben! Ich glaube, sogar die Ziegen haben das als neues Gesellschaftsspiel betrachtet.
Irgendwann platze uns allen "der Kragen" und wir verloren die Geduld. Wir ließen uns doch von Ziegen keine Hörner aufsetzen! Uns reichten die stattlichen Hörner der Ziegen!
Herr K., erfahren mit dem Umgang mit Ziegen, machte dem sanften Umgang mit den störrischen Ziegen ein jähes Ende. Er schnappte sich den ersten Bock an den Hörner und "schleifte" den sich heftig wehren "Stinker" zu dem Hänger! Herr K. zog den Bock die Rampe hoch und mehrere von uns schoben von hinten. Einer war schon mal drin- und wir voller "Kniddelchen"! Unser Geruch näherte sich bedrohlich und "messbar" dem der Ziegen.
Das gleiche Spielchen mit Bock Nummer zwei! Unser Glück war, dass die übrigen sechs Tiere wie angewurzelt und dicht gedrängt zusammen standen und nicht wild umher liefen.
Bock Nummer drei muss der Anführer der kleinen Herde gewesen sein. Als er an den Hörnern gepackt wurde und mit vereinten Kräften zum Hänger buggsiert wurde- natürlich unter lautem Protest und Gemecker- liefen die anderen Böcke freiwillig mit auf den Hänger!
Wir sahen inzwischen aus wie die Schweine und stanken wie die Böcke, waren dreckig und nass- und überglücklich.
Ich begleitete den Ziegentransport bis nach Lützellinden. Im Stall waren die Tiere schnell, der Geruch von Heu und Körnern wirkte Wunder.
Da standen sie nun, die acht Herren! Unkastrierte Jungs, die ihren Hormonkoller untereinander auslebten. Eine Kastration musste schnellstens organisiert werden.
Der Anruf am nächsten morgen in der Geburtshilfe der Veterinärklinik bei Herrn Prof. Wehrend erzeugte erst einmal unglaubiges Staunen. Es werden ja nicht täglich Ziegen ausgesetzt. Wir waren erleichtert, als wir schon am nächsten Tag unsere "Duftkugeln" in die Klinik bringen durften.
Ein Hilferuf im Internet führte rasch zum Erfolg- zu unserer großen Erleichterung!
Herr G. vom Gnadenhof Dahn erklärte sich bereit, alle Ziegen aufzunehmen. Eine ehrenamtliche Helferin der Tieroase Heuchelheim fuhr die nicht mehr so streng riechenden Böcke mit ihrem Pferdeanhänger nach Dahn.
Eine kleine Ziegenherde wartete schon auf die neuen Herdenmitglieder. Ohne Stress und Streit formierte sich das Rudel schnell und wurde eine friedliche Gruppe.
Die Tieroase Heuchelheim bestand mittlerweile seit drei Jahren. Diese Aktion war bisher die aufregenste und stressigste Tierschutzgeschutzgeschichte! Sie hatte jedoch am Ende ein Happy End und kann als Erfolg verbucht werden.
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