Kapitel 38
Silvestra und wie ein Traum zerplatzt!
Mein Mann und ich lieben die Wärme- und wir lieben Spanien. Nach jahrelangen Überlegungen und Diskussionen beschlossen wir, uns nach einem geeigneten Domizil umzusehen. Der Kälte hier entfliehen und ein paar Wochen die Sonne und angenehme Atmosphäre in Spanien geniesen, das war ein Traum!
Wir wollten Silvester mit Freunden in Roquetas feiern und ein paar schöne Tage mit netten Menschen verbringen. Darauf freute ich mich sehr.
Wir wollten die Zeit nutzen, die Gegend zu erkunden, um uns kleine Fincas anschauen, die zu verkaufen oder langfristig zu vermieten waren.
Denn eines war klar, unsere drei Hunde und vier Katzen würden uns begleiten in ein Leben auf Zeit in Spanien. Da musste auf vieles beachtet werden, damit unseren geliebten Tieren nichts passieren würde.
Uns war klar, dass es nicht einfach werden würde. Wir schauten einige Grundstücke an, fündig wurden wir zunächst nicht. Eine befahrene Strasse war zu nah, Nachbarn, die für uns nicht in Frage kamen, weil große Hunde das Grundstück bewachten. Das hätte den Tod meiner Katzen bedeuten können. Oder aber intensive Nutztierhaltung, wo die Fliegen uns umschwirrten.
Am 31.12. fanden wir, was wir suchten mit allem, was wir uns wünschten.
Auf der Rückfahrt nach Roquetas freuten wir uns auf die Feier ins neue Jahr. Unsere Bekannten waren schon neugierig, ob wir ein Häuschen gefunden hatten. Jetzt gab es viel zu erzählen!
Mein Mann hatte spanisch gelernt. Nun war ich an der Reihe! Denn mit den Einheimischen ein bißchen in deren Heimatsprache zu plaudern, stellte ich mir schön und auch wichtig vor.
So konnte ich ins Gespräch kommen mit Fincabesitzern, die ihre Tiere oftmals nicht so hielten, wie es tierschutzgerecht war. Pferde, Ziegen und Schafe bekamen die Beine zusammen gebunden, dass sie nur mühsam laufen konnten. Der Grund war zu verhindern, dass sie die kleinen Mauern nicht überspringen konnen.
Hunde waren kurz angebunden, hatten oft keinen Schutz vor Witterungseinflüssen. Die Tiere sollten das Grundstück bewachen und schützen! Doch außer Bellen und an ihren Ketten zerren konnten sie nichts tun!
Jede ungewünschte Person konnte sich frei bewegen und mitnehmen, was er wollte. Und das war in der Ernteeit der Apfelsinen eine Menge Obst, was gestohlen wurden.
Unzählige Katzen liefen umher, die mehrmals im Jahr Junge bekamen. Um sie kümmerte sich niemand!
Ich dachte, wenn man freundlich mit den Leuten ins Gespräch kommt, könnte man Änderungen erreichen und die Tierbesitzer zum Nachdenken anregen.
Auf der Heimatfahrt nach Roquetas plauderte ich angeregt mit meinem Mann. Er sprach auch mahnende Worte zu mir, dass ich hier gemäßigten Tierschutz mache. Ich solle die Zeit genießen und nicht wie in Deutschland ständig Tierschutzprobleme mit nach Hause bringen.
Mein Mann tolerierte meinen Tierschutz. Oft war er aber auch traurig, dass wenig Zeit blieb für gemeinsame Unternehmungen. Sorgen und Kummer, die man tagsüber erlebt hat, die streift man nicht wie schmutzige Schuhe vor der Haustür ab.
Unser Alltag war geprägt vom Tierschutz. Ohne die moralische Unterstützung meines Mannes, ohne seine tröstenden Worte, ich hätte oft kapituiert, wenn ich nicht das für die Tiere erreichen konnte, was ich mir vorgenommen hatte. Er war eine große Stütze mit seinen aufmunterten Worten, seiner Geduld und die Akzeptanz, oft auf gemeinsame Zeit und eine fröhliche Frau zu verzichten.
Ja, das sollte in unserer Zeit in Spanien anders sein. Das habe ich ihm auch versprochen und ehrlich gemeint.
Kurz vor der Ausfahrt geschah es! Vor uns überquerte ein Hund die Autobahn! Der Schreck fuhr uns in die Glieder!
Zum Glück fuhren kaum Fahrzeuge auf der Autobahn- nicht mit unserem Verkehr zu vergleichen. Aber uns musste es passieren und die fröhliche Stimmung fiel in den Keller. Ich drehte mich um und sah den Hund auf der Mittelleitplanke sitzen.
Es passiert selten, aber wenn, dann heftig. Ich wurde total hysterisch, zwang meinen Mann am Randstreifen stehen zu bleiben.
Vergebens versuchte er, mich zu beruhigen. Mein Mann wusste, dass ich Ernst machen und aus dem Auto austeigen würde, zu Fuß auf der Autobahn zurück gehe, um den Hund zu retten. Mittlerweile war es dunkel geworden!
Er hatte die Wahl, entweder er fuhr langsam rückwärts oder ich springe aus dem Auto. Jetzt wurde sein Ton schärfer. Er "befahl" mir, den Mund zu halten und ihn das machen zu lassen, was er verantworten kann.
Mit Warnlichtlampe fuhr er zurück Richtung Hund, der immer noch an der selben Stelle saß. Nach gefühlter Ewigkeit waren wir in Höhe des Hundes. Mit lauter Stimme sagte mir mein Mann, dass ich regungslos im Auto sitzen bleiben muss, die Tür geschlossen halten und keinen Ton von mir zu geben habe. So "herrisch" hatte ich meinen Mann noch nie erlebt.
Er wartete, bis keine Lichter von Autos zu sehen waren, stieg aus, öffnete die hintere Tür und rief in Richtung des Hunde: "venga, venga" und klatschte sanft in die Hände ! Und das Unglaubliche geschah ! Der Hund stand auf, rannte in Richtung meines Mannes und sprang auf den Rücksitz des Autos.
Mein Herz hatte geschlagen wie ein Boschhammer- doch jetzt schien es still zu stehen. Ich konnte gar nichts sagen, mein Mann nur einen Satz: "Das machst Du mit mir nie wieder!"
Der Hund saß im Auto, als ob er da auch schon immer hingehört hätte und schaute neugierig aus dem Fenster!
Die restliche Fahrt verlief schweigsam. Doch diese Schweigsamkeit wurde durch ein nur allzu bekannten Geräusch je unterbrochen.
Der Hund würgte, gab "Kotzgeräusche" von sich und das Ergebnis landete im Auto! Na Bravo! Ein beschmutzer Leihwagen- Zeitnot- und einen Hund, der noch untergebracht werden musste!
Silvesterfeier ade?
Der Geruch war widerlich! Wir hatten die Auswahl- Fenster auf- kalte Luft rein- Fenster und Augen zu und durch!
Wir kam der Spruch in den Sinn: erfroren sind schon viele, erstunken noch keine!
Allerdings war uns nicht zum Lachen zumute.
Als wir endlich bei unseren Freunden ankamen, sahen wir die Bescherung ! Hühnerherzen im Fußraum, auf dem Sitz , an den Gurten und deren Halterung.
Schweigend säuberten wir das Auto! Obwohl das Silvesteressen noch die Geschmacksnerven reizte?
Inzwischen war Jos vom Tierheim in Roquetas verständigt, um die schwarze, hübsche Hündin abzuholen. Sie erhielt von mir den Namen Silvestra! Sie war sehr zutraulich und umgänglich!
Es war klar, dass sie nach Deutschland reisen würde, wenn alle veterinärmedizinisch erforderlichen Manßnahmen abgeschlossen waren.
Silvestra war das Thema des Silvesterabends. Es wurde viel gelacht, aber auch mahnend den Finger gehoben. Leichtsinnig war unsere Aktion, aber diese tolle Hündin war den Einsatz wert.
Als sie im Januar ausreisen dürfte, war sie im Tierheim schon bekannt wie ein bunter Hund!
Sie fand schnell ein wunderschönes Zuhause !
Das war ein "tierisches" Happy End"! Doch unser Traum, der war zerplatzt wie eine Seifenblase! Wir würden nicht nach Spanien ziehen! Tagelange Diskussionen gingen dieser Entscheidung voraus.
Es würde täglich "Silvestrasituationen" geben, an denen ich nicht unbeteiligt vorbei gehen könnte. Wir würden in diesem wunderschönen Land mit seinen freundlichen Menschen keine Ruhe finden. Das Elend der Tiere- ich hätte es nicht ertragen können, ohne zu helfen.
Jedes Jahr sind wir nach Spanien geflogen und haben die Zeit genossen.
Die Sehnsucht nach diesem Land bleibt und wird größer- denn Corora hat alles verändert.