Kapitel 10
Einen "Alltag" im Tierheim oder im Tierschutz, den gibt es nicht. Jedes Telefonat kann der Beginn eines Vorfalles sein, der viel Zeit in Anspruch nimmt.
Meine ersten Jahre im Tierheim waren ausgefüllt von vielen, manchmal nicht zu lösenden Aufgaben- die dann doch zu einem glücklichen Abschluss führten.
Es fehlte an allen Ecken und Enden. Vor allen Dingen an Platz, finanziellen Mitteln und Personal.
Jörg und Monika hatten im Wohnhaus Möglichkeiten geschaffen für die Unterbringung von Katzen. Endlich, denn die Samtpfoten mussten bisher privat bei Mitgliedern untergebracht werden. Im Notfall saßen die armen Katzen in Käfigen, bis sie vermittelt werden konnten. Für uns alle eine unglückliche und traurige Situation.
Beim Neubau des Tierheimes wurden keine Katzenunterkünfte gebaut.
Frau Rethorn, unsere Tierärztin, hat viele miauenden Findlinge in ihrer Praxis untergebracht.
Nach Beendigung des Studiums von Monika ging sie und Ihr Lebenspartner Jörg in eine andere Stadt und hinterließen eine große Lücke im Tierheim.
Zum erstenmal in meinem Leben musste ich zusammen mit dem geschäftsführenden Vorstand Personal einstellen.
Ich hatte mir das so leicht vorgestellt, glaubte doch tatsächlich, dass viele tierliebe Menschen eine Arbeit mit Tieren mit Engagement antreten würden.
Es war jedoch ein Schock, was sich für "Tierfreunde" aufgrund unseres Inserates meldeten oder vom Arbeitsamt geschickt wurden.
Das größte Interesse galt dem Wohnhaus, welches als Dienstwohnung zur Verfügung stand.
Die Lohnvorstellungen waren utopisch und von dem Verein niemals zu stemmen. Eine geregelte Arbeitszeit konnten wir nicht anbieten. Tiere sind keine Maschinen, die ma musste außer fachlichem Wissen und Verantworung gegenüber den Tieren auch bereit sein, das Privatleben oftmals hinten an zu stellen.
Mehrmals hatten wir großes Pech und mussten uns schnell wieder von dem Pflegepaar trennen.
Für Vorstandsmitglieder und Ehrenamtliche hieß es einen Arbeitsplan zu erstellen, damit die Tiere versorgt wurden.
Das Gericht schickte uns junge Leute, die ihre sog. Arbeitsstunden im Tierheim ableisen mussten. Von manchem jungen Mann oder jungen Frau mussten wir uns schon nach einem Tag trennen. Sie waren rebellisch, man konnte sie keine Sekunde aus dem Augen lassen.Viele jedoch waren willig und waren eine Hilfe.
Als sich eines Tages das Ehepaar R. meldete, atmeten wir auf. Freundliche Menschen, mit denen wir lange Gespräche führten. Im Umgang mit den Hunden beobachteten wir sie genau. Wir hatten den besten Eindruck und stellten das Ehepaar ein.
Sie richteten das Wohnhaus sehr schön ein. Ein Möbelhaus brachte die Einrichtung und alles schien in geordneten Bahnen zu laufen. Der große Schock kam schnell.
Das Ehepaar zeigte sich als aufsässige Menschen, die nicht bereit waren, Anordnungen auszuführen. Sie wurden frech bis handgreiflich. Es ging soweit, dass sie ihre Hunde frei im Hof laufen ließen, die keinen mehr in das Tierheim ließen. Mit Polizeischutz betraten wir ins Tierheim.
Die Hunde sperrten sie nur ein, wenn die Polizei sie warnte, die Hunde zu erschießen, wenn diese angreifen würden. Was für eine schlimme Zeit, die uns sehr viel Nerven kostete und Kraft nahm.
Wir sprachen natürlich eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus, verboten gerichtlich, die Tierunterkünfte oder andere Gebäude auf dem Gelände zu betreten. Überall ließen wir neue Schlösser einbauen.
Als eines Tages die Heizung im Tierheim ausfiel, ließ das Ehepaar keinen Installateur ins Haus. Wieder mussten wir die Polizei um Hilfe bitten.
Im Heizungsraum stockte uns der Atem- vor Gestank und was wir erblickten! Junge Füchse verkrochen sich in der hintersten Ecke! Die Tiere hatten an der Heizungsanlage alles zerbissen, was nur möglich war. Überall Kot und Urin! Horror pur!
Eine unbändige Wut kam in mir hoch. Ich konnte mich kaum beherrschen! Wäre ich ein Mann gewesen, ich hätte eine Schlägerein begonnen.
Die Füchste konnten wir bei einem netten Förster unterbringen, der eine Wildtierstation betrieb und uns versicherte, die Füchse später nicht zu erschießen. Damals war das noch möglich- heute hätte Meister Reinecke keine Chance!
Nach ein paar Wochen war der Spuk zu Ende und das Ehepaar R. in einer Nacht- und Nebelaktion verschwunden.
Wir atmeten auf! Aber nur für Minuten! Als wir das Wohnhaus betraten, schlug uns eine eisige Kälte entgegen! Es war Dezember und Minustemperaturen !
Was wir dann sahen, ließ und erstarren- und nicht nur vor Kälte! Diese Menschen hatten alle Fenster aus den Angeln gehoben, die Rahmen und Scheiben zerstört! Die Heizung war eingefroren und zum Teil geplatzt. Der Fußboden glich einer Eisbahn!
Die Polstergarnitur war zerschnitten, die Holzmöbel nicht nur zerkratzt, sondern auch mit Farbe besprüht. Zerstörung pur! Wir standen da und kämpften mit den Tränen!
Unversehrt war eine große Menge Bettwäsche, Handtücher und Tischgarnituren, noch orginal verpackt!
Unmengen von Mahnungen verschiedener Geschäfte waren im Wohnzimmer verstreut. Diese Leute hatten auf Pump eingekauft und nicht bezahlt.
Was um Himmelswillen machen wir nur!
Wir nahmen Kontakt zur Rechtsanwalt M. D. auf, der für die nächsten Jahrzehnte ein ein Freund und Berater des Tierschutzes blieb.
Hier bekamen wir den nächsten Schlag versetzt! Rechtlich mussten wir sämtliche beweglichen Gegenstände fünf Jahre aufbewahren. Aber wo und wie sollten wir das bewerkstelligen? Eine bezahlte Lagerung war nicht zu finanzieren.
Im Tierschutz kennen gelernt hatte ich Barbara Schäfer, die in der Nähe des Tierheimes ein Haus hatte. Mit ihr hatte ich mich angefreundet. Eine innige Freundschaft bis zu ihrem Tod!
Sie rief ich in meiner Verzweiflung an und bat um Hilfe. Das Unlaubliche wurde von ihr ermöglicht! Sie stellte im Keller Platz zur Verfügung, wo der ganze Schrott untergestellt wurde- fünf Jahre lang!
Natürlich wurde es niemals abgeholt! Nur einmal rief mich Herr R. nochmal an und forderte die Wäsche zurück. Ich sagte ihm, er könne die Sachen abholen. Die Polizei und die Firma Sommerlad sowie die anderen "geprellten" Geschäftsleute würden ihn zusammen mit einem Gerichtsvollzieher erwarten. Ich habe nie mehr was von ihm gehört!
Für uns war klar! Niemals wieder sollte ein Pflegerpaar einziehen! Schnell war geklärt, was mit dem Wohnhaus passieren sollte! Ein Katzenhaus sollte es werden! Dem Vorstand und den Mitgliedern lag der Schutz der Katzen sehr am Herzen.
Bisher war die Aufnahme und Unterbringung von Katzen mit Schwierigkeiten verbunden. Das sollte sich jetzt ändern! Das Foto der ersten Katze Mieze in den 1960 iger Jahren mahnte schon lange, Katzenunterkünfte zu bauen.
Nun wurde es Realität, die Umbaumaßnahmen und die Errichtung einer Voliere war in Planung.
Großzügige Spender waren schnell gefunden- und die 1. größere Erbschaft eines Tierfreundes nahmen uns viele Sorgen.
Bisher bestand der Schutz der Katzen in Kastrationsaktionen, die mehrmals im Tierheim durchgeführt wurden.
Trotz aller Freude über die Katzenunterkünfte, die bald vollendet werden sollten, hatten wir Angst um das Tierheim.
Denn es war nicht befriedigend und beunruhigte uns, dass unser Tierheim nachts unbewacht war! Zwar fuhr die Polizei sowie Mitglieder und Vorstandsmitglieder mehrmals nachts am Tierheim vorbei, aber die Unruhe blieb, dass es nächtliche Zwischenfälle geben könnte.
Und dann kam die Rettung in Form eines Tierschutzengels mit Namen Anja Schneider!
Und davon erzähle ich Euch im nächsten Kapitel!