Kapitel 11
So viele Tierfreunde halfen, das völlig zerstörte Wohnhaus zu renovieren. Zu danken ist es der Erbschaft, den großzügigen Spendern und den Geschäftsleuten, die finanzierbare Angebote machten.
Drei Katzenzimmer wurden eingerichtet. Sehr bescheiden- aber für die Katzen gemütlich. Sessel, Körbchen und viele Kuschelecken und Versteckmöglichkeiten wurden gut angenommen.
Etwas Kopfzerbrechen bereitete die Außenvoliere! Es gab keine Erfahrungswerte. Ein Katzenhaus in dieser Form war ein Pilotobjekt. Die größte Sorge war die obere Abdeckung, die sicher sein musste, damit kein Stubentiger entweichen konnte.
Lange Gespräche und Ratschläge von unserer Tierärztin Frau Rethorn und dem damaligen Amtstierarzt führten zum Ziel.
Und dann kam die Stunde der Wahrheit. Die fertig geimpften und kastrierten Katzen zogen aus ihren Käfigen ins Katzenhaus!
Drei Zimmer und die Voliere boten viel Platz für die kleinen Entdecker! Ganz nach Art der Katzen wurde das neue Umfeld vorsichtig und sehr gewissenhaft erkundet.
Die "Angsthäschen" ließen den Mutigen den Vortritt. Dann siegte die Neugierde und sie tapsten etwas zaghafter hinten den anderen her.
Die Katzen fühlten sich sehr wohl, waren entspannt und wurden immer verschmuster. Sie genossen ihre neue Freiheit. Von Tag zu Tag gewannen sie an Lebensfreude - und dies zeigten sie deutlich.
Bei der Vermittlung an geeignete Familien spielte das Wesen der Katzen eine entscheidende Rolle. Jetzt erst sahen wir, wie zurückgezogen und traurig sich die Tiere gezeigt hatten, als wir noch Käfighaltung hatten. Sie hatten keine Möglichkeit, ihr ihr wahres Wesen zeigen.
Endlich konnten Mensch und Katze Körperkontakt aufnehmen. Die Besucher verbrachten viel Zeit mit den Miezen. Bei schönem Wetter war die Voliere ein "Meeting Point" für Mensch und Tier!
Gerade für alleinstehende Menschen waren diese Stunden ein großer Gewinn! Alte Menschen, die kein eigenes Tier mehr haben konnten, fanden hier einen Ort der Freude.
Zügig fanden unsere Stubentiger ein schönes Zuhause. Mit jedem vermittelten Tier war Platz geschaffen für eine Katze in Not!
Viel Lob und Anerkennung bekamen wir von den Besuchern und den Kommunalpolitikern.
Die Zeitungen berichteten von unserem "kätzischen" Tierschutz. Sehr viele Katzenliebhaber besuchten das Katzenhaus und erkundigten sich über unsere Arbeit. Wir bekamen Anerkennung, Spenden und immer wieder Erbschaften.
Alle finanziellen Zuwendungen flossen in den Tierschutz, nötige Anschaffungen im Tierheim und Verbesserungen an den Gebäuden und Tiereunterkünften.
Sehr schnell mussten wir feststellen, dass die Idee, die Voliere zu einer "grünen Oase" zu gestalten, falsch war. Die Katzentoiletten waren sauber- und die Wiese eine Katzentoilette! Im Laufe der Zeit wurde die Fläche unansehnlich und bei Sonnenschein war der Geruch unangenehm.
Was tun? Es musste ein Boden sein, der gut zu reinigen und auch zu desinfizieren war. Schweren Herzens wurde die Grünfläche befestigt.
Kaum war die Baumaßnahme beendet, erwartete uns das nächste Problem! Aufgeregt rief der Tierpfleger morgens früh bei mir Zuhause an."Kommen Sie schnell ins Tierheim, fast alle Katzen laufen außerhalb des Tierheimgeländes herum! "
So schnell war ich noch nie im Tierheim. Und tatsächlich! Da saßen die Katzen, im Graben vor dem Tierheim, im Feld gegenüber und neben dem Tierheim.
In Windeseile kamen ehrenamtliche Helfer, die vertraut waaren mit den Katzen. Die meisten Miezen ließen sich schnell fangen, einige liefen sogar auf uns zu. Man hatte den Eindruck, dass sie froh waren, "ihre" Menschen zu sehen. Die scheuen, etwas zurückhaltenden Katzen ließen sich nicht einfangen. Wir beschlossen, sie in Ruhe zu lassen und legten eine Futterspur bis ins Haus.
Wie erleichtert waren wir, dass nach Stunden alle Katzen wieder im Haus waren, zum Teil verängstigt und angespannt.
Was war geschehen? Wie konnte das passieren?
Wir gingen die Voliere ab und suchten ein Loch, welches den Weg nach draußen ermöglicht hatte. Kein Loch- aber- der Außenzaun aufgeschnitten! Wir waren sehr erschrocken und beunruhigt. War es ein Tierquäler? Hatte ein Verrückter einen schlimmen Plan?
Das darf nicht noch einmal passieren, das war klar.
Für einige Zeit mussten die Katzen im Haus bleiben. Ein stabiler, feuerverzinkter Zaun musste installiert werden. Und wieder war der Schutzengel der Tiere tätig! Ein Bericht in der Zeitung brachte schnelle Hilfe ! Viele Spenden machten es möglich, umgehend mit der Baumaßnahme zu beginnen.
Ein unbewohntes Tierheim barg viele Gefahen, wie wir erleben mussten. Das Wohnhaus war ja nun ein Katzenhaus. Wir zermarteten uns den Kopf, wo kann ein Pflegerpaar untergebracht werden? Alle Ideen wurden wieder verworfen! Eine Lösung nicht in Sicht!
Wie so oft im Leben steht man vor einer Mauer, die den Weg versperrt und die Verzweiflung wachsen läßt. Und plötzlich ist ein Loch in der Mauer- und wer steht dahinter! Frau Anja Schneider!
Anja, die ich schon lange kannte. Eine großartige Frau, die ihr Leben dem Tierschutz gewidmet hatte. Und gerade sie rief mich verzweifelt an und bat um Hilfe. Hilfe für sich, ihren Mann und ihre Tiere. Sie waren in finanzielle Not geraten, ihr Tierschutzanwesen sollte in Kürze versteigert werden. Anja hatte keine Angst um sich, aber große Sorgen um ihre Tiere. Sie mussten untergebracht werden- und zwar schnell! Mit Hilfe des Hess. Rundfunks gelang es, Pferde, Ziegen, Schafe , Hunde und Katzen in Familien zu geben oder andere Tierschutzorganisationen nahmen die Tiere auf.
Aber wo sollten Schneiders hin mit ihren eigenen Hunden und Katzen? Ihnen musste geholfen werden! Waren sie die Rettung für das Tierheim?
Ich trug mein Anliegen dem Vorstand vor. Einstimmig wurde beschlossen, dass Schneiders ins Tierheim ziehen sollten, wenn auch in sehr bescheidene Verhältnisse.
Das kleinste Katzenzimmer im Katzenhaus wurde Frau Schneiders Schlafzimmer, das Personalzimmer die Küche und der Abstellraum das kleine Wohnzimmer. Toilette und Bad waren vorhanden.
Mit Schneider begann eine neue Zeit im Tierheim. Rund um die Uhr waren die Tiere nicht mehr alleine. Schneiders hatten und wollten keinen Feierabend! Herr Schneider kümmerte sich um das Gelände und brachte einige Ideen ein!
Frau Schneiders Katzen fühlten sich schnell im Katzenhaus wohl und hatten ihr Frauchen immer um sich! Die Hunde liefen mit ihm Gelände!
Alle waren zufrieden, obwohl ich immer ein schlechten Gewissen hatte, wieviel Platz unsere Katzen hatten und wie beengt Scheiders lebten. Aber die sahen das ganz anders! Sie waren glücklich und zufrieden, umgeben von vielen Tieren! Mehr wollten sie nicht!
Die mütterliche Frau Schneider war bei den Ehrenamtlichen, dem Personal, der Jugendgruppe und den Besuchern des Tierheim sehr beliebt. Sie hatte immer gute Laune, war freundlich und geduldig zu Mensch und Tier. Sie strahlte sehr viel Ruhe aus!
Wie viel Spaß hatten wir abends im Tierheim. Wenn Ruhe eingekehrt war, dann begann die gemütliche Stunde im Gelände- bei schlechtem Wetter im Katzenhaus.
Da saßen wir zusammen, ließen den Tag passieren und erzählten uns die Ereignisse! Im Sommer fuhr Herr Schneider mit seinem "Dienstfahrrad" mit Höllentempo nach Wieseck um Eis mit Sahne zu holen. Viel bekamen wir von der Leckerei nicht ab! Entweder Hunde oder Katzen wurden zu Dieben und machten uns das Eis streitig. Ein Schlecken im Sitzen war nicht möglich! Da war die Hundezunge länger oder die Katzenpfoten schneller!
Sehr gerne denke ich an diese Stunden zurück! Wir waren wie eine große Familie! Auch wenn es manchmal stressig im Tierheim war und ein unbedachtes Wort fiel, niemals ging nach Feierabend jemand durch das Tor aus dem Gelände, ohne dass alles wieder gut war. Wie konnte es auch anders sein- die Tiere brachten alle wieder zusammen!