Kapitel 22
Die Sau ist los!
Veterinärstudentin Monika brachte ein neu geborenes Ferkel mit ins Tierheim. Es war zu klein geraten und für den Landwirt unrentabel.
Im Tierheim war eine Schäferhündin mit Welpen abgegeben worden. Wir schauten uns an und hatten den gleichen Gedanken.
Es war ein Risiko, aber wir wagten es. Das Minischweinchen wurde mit Hundekot eingerieben und zwischen die Welpen gelegt. Zunächst traute die Hundemama dem Frieden nicht. Sie beroch das "Ding" von allen Seiten und wollte es aus dem Korb schupsen. Wir lenkten die Hündin mit Leckerchen ab und schoben das Ferkelchen an die mütterlichen Zitzen. Gierig fing es an zu saugen- das schmatzende Geräusch aninmierte die Welpen, auch " an zu docken"!
Jetzt war die Hündin überrumpelt. Sie fing an, ihre Welpen zu putzen- und das Ferkelchen mit. Friedlich lagen die "Geschwisterchen" im warmen , mütterlichen Fell! Geschafft- wir waren glücklich!
Einen Schock bekamen wir noch, als die Minisau zufrieden anfing zu grunzen. Den Blick der Hündin war so komisch, dass wir laut anfingen zu lachen! Bei jedem Tönchen drehte sie den Kopf, fing an zu hecheln, beschnupperte den Fremdling, drehte ihn auf den Rücken und schupste ihn hin und her.
Das gefiel dem Schweinchen gar nicht, seine Töne wurden klagend! Das schien das Hundemutterherz zu erweichen, denn sie schob es an ihre Zitzen und "grunzte" zufrieden.
Nun konnten wir dem Schweinekind einen Namen geben. Sippi war die neue Tierheimbewohnerin! Tierheim ist nicht ganz richtig, denn die Hundefamilie war im Wohnzimmer und auf der Terrasse von Monika!
Sippi wuchs und gedieht, fühlte sich als Hund und rannte mit ihren "Geschwistern" durchs Gelände! Sie war schnell wie der Blitz und blitzgescheit. Ihr entging nichts! Sie lernte Sitz, Platz und Pfötchen geben! Sie trug ein schickes Halsband und ging an der Leine! Sie war der erklärte Liebling im Tierheim!
Sie wollte beschäftig werden, denn Langeweile fand sie doof. Schweine sind hoch intelligent. Was muss es für eine Qual für die Millionen von eingepferchten Schweinen in ihren Ställen sein! Die klugen und von Natur aus neugierigen und bewegungsfreudigen Tiere dämmern vor Langeweile vor sich hin und fügen ihren Leidensgenossen Verletzungen zu. Oder sie kauen stereotyp Stunden um Stunden an den Käfigstangen ihrer Gefängnisse!
Sippi zeigte uns, was Schweine für tolle Tiere sind- wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt.
Sippi fühlte sich als Hund! Wenn es am Tor klingelte, rannte sie mit den Hunden zum Hoftor um zu schauen, was da wohl los ist. Es fehlte nur noch, dass sie anfing zu bellen.
Natürlich lebte sie mit dem Pflegerpaar im Haus, war stubenrein und schlief in einem Körbchen.
Sippi schaute auch mit Fernsehen. Es gab Sendungen, die fand sie langweilig. Dann sprang sie von der Couch und ging in ihren Korb.
Sie liebte Sendungen mit Musik und hörte aufmerksam zu. Am tollsten jedoch fand sie die Werbung. Da schaute sie gespannt auf den Bildschirm und gab leise Tönchen von sich.
Als aus dem Ferkelchen eine gestandene Sau geworden war, entwickelte sie unangenehme Eigenschaften! Warum auch immer, mich konnte sie nicht leiden. Stand Sippi am Tor, musste ich sie überzeugen, mich auf das Gelände gehen zu lassen. Kaum war ich drin- ob Ihr es glaubt oder nicht- drehte sie sich blitzschnell um und pieselte mich voll! Ich konne nur noch mit hohen Gummistiefeln ins Tierheim.
Kam ich ohne Leckerchen um sie zu bestechen- ohne Mohnbrötchen ging gar nichts- versuchte sie auch, in meine Stiefel zu beißen! Freunde wurden wir nie!
Am Zaun des Geländes wuchsen Brombeerstöcke. Als sie die Früchte entdeckte, "erntete" sorgfältig. Dass jede Erntesaison einmal zu Ende geht, akzeptierte sie nicht. Sie fing an, mit ihrer kräftigen Schnauze die Hecken auszubuddeln. Je tiefer sie sich vorarbeite, umso mehr Würmer fand sie. Da war sie nicht zu halten. Sie pflüge und pflügte, bis tiefe Graben entstanden. Das halten auch Brombeersträucher nicht aus.
Weg war der schöne Sichtschutz zum Hangelstein- dank Sippis Arbeitseifer.
Die nächste Aktion war gar nicht lustig. Sie bewachte den Hühnerstall im Tierheim. Zunächst dachten wir uns nichts dabei, wir kannten ja ihre Neugierde. Was dann passierte, war alles andere als lustig. Sie zerstörte den Zaun und war im Hühnerstall.
Durch das aufgeregte Gegacker der Hühner wurde das Personal aufmerksam. Es war zu spät, Sippi hatte mit ihrem Körper die Hühner wie eine Walze überrollt und getötet. Sie wollte das arme Federvieh fressen und hatte die ersten Stücke schon im Maul. Daran konnte sie gehindert werden, doch die fünf zahmen Hühner war tot.
Ihre Beliebtheitsskala war für einige Zeit gesunken.
Der Drahtzaun wurde nicht mehr repariert, das Hühnerhaus blieb stehen. Frau Rethorn meinte, man kann das Holzhaus bestimmt noch einmal gebrauchen. Hätte sie gewusst, für was es dann benötigt wurde, es wäre abgerissen worden. Doch das ist ein anderes Kapitel.
Sippi war ein glückliches Schwein, hatte den ganzen Tag Termine und war immer für eine Überraschung gut. Sie lebte weiterhin bei Monika und Jörg im Haus, benahm sich wie ein Hund und war ein angenehmer Hausgenosse. Sie war gertenschlank und voller Muskeln. Sie strotzte vor Lebensfreude und Energie.Ihr kleinen Äuglein blitzten vor Unernehmenslust, und sie war immer auf Achse!
Das triste Leben ihrer Artgenossen war ihr erspart geblieben. Langeweile war ihn unbekannt.
Schweine sind sehr saubere Tiere, wenn man sie läßt. Das Leben auf Spaltenböden muss für die Tiere eine Qual sein. Schweine stinken auch nicht. Sie fühlen sich angenehm und warm an, sie zu streicheln ist ein schönes Gefühl.
Schnitzel wachsen nicht am Baum! Jedes Stück Schweinefleisch war einmal eine Sippi. Sippi durfte leben, ihre Argenossen vegetieren dahin.
Als Sippi ca. 18 Monate alt war, fing sie an zu hinken, Die heutige Schweinezucht hat Tiere hervorgebracht, die nicht für ein langes Leben bestimmt ist. Als sie nicht mehr aufstehen konnte kam der Tag, wo wir sie gehen lassen mussten.
Wir alle waren traurig.