Kapitel 26

Fünf Kilo "geballter" Zorn!

Ein Anruf eines Beerdigungsinstitutes erreichte mich. Eine alte Dame sei gestorben und in der Wohnung ein verlassenes, kleines Hündchen. Christine, eine rührende Tierschützerin, fuhr los und brachte ein übel riechendes und übel gelauntes Tier. Es sah erbarmungswürdig aus. Das lange Fell verfilzt zu einem harten Panzer. Der Hund roch fürchterlich nach Kot. Aber wir konnten keinen Kot im Fell finden.
Anfassen war nicht möglich. Wie eine kleine Kobra biss das Tierchen um sich. Einen Maulkorb für diese platte Gesicht gab es nicht. Was also tun? So leid es uns tat, wir mussten Gewalt anwenden, um das Tier untersuchen zu können, um den Grund des Gestankes zu finden.
Als der Kopf fest von einem Handtuch umschlossen war, konnten wir die Kleine gründlich untersuchen. Filzplatten wurden abgeschnitten, um Platz zu schaffen für eine Kurznarkose.
Nun sahen wir das ganze Ausmaß der Verwahrlosung. Die überlangen Krallen waren mit dem Fell verklebt und hatten dem armen Geschöpf das Laufen fast unmöglich gemacht. Die Haar im Gesicht völlig mit einander verwachsen, sodass sie das Mäulchen und die Augen kaum öffnen konnte.
Und dann verschlug es uns die Sprache, als wir den Grund des widerlichen Gestankes fanden. Das Fell am Hinterteil war so verwachsen, dass sich ein geschlossener Hohlraum gebildet hatte, gefüllt mit Kot. Und zwar so gefüllt, dass sich der Darm nicht mehr entleeren konnte.
Frau Rethorn räumte den Darm aus von steinhartem Kot. Was musste dieses Tier ausgehalten haben! Wir waren alle erschüttert und sprachlos.
Dem verstorbenen Frauchen konnte kein Vorwurf gemacht werden. Sie war alt und krank gewesen. Sie war sicher nicht mehr in der Lage , diese Situation zu erkennen. Unser Vorwurf galt den Menschen, die in der Wohnung ein und aus gingen und denen der Zustand des Hundes aufgefallen sein musste.
Die Hündin wurde kahl geschoren. Das war höchste Zeit, denn die Haut war sehr in Mitleidenschaft gezogen. Nun war sie deutlich als Shi Tzu zu erkennen- und frisch gewaschen roch sie gut. Haut und die entzündeten Äuglein wurden behandelt, was sie sich gefallen ließ. Sie wurde auf den Namen Purzel getauft.
Ich hatte zu dieser Zeit einen Hund in hohem Alter verloren und adoptierte Purzel. Sie verstand sich gut mit unseren Katzen und den beiden anderen Hunden. Sie war ein süßer, kleiner und selbstbewusster Knirps- aber nur für einige Wochen.
Dann entschied sie sich, das Zepter der Haushaltsführung zu übernehmen. Dieses Verhalten machte das Leben mit ihr nicht einfach. Purzel machte, was sie wollte und wehrte sich gegen alles, was sie nicht wollte. Wir haben alles versucht, um sie zu "bändigen"! Mit Überzeugung, mit Leckerchen, mit Mißachtung, mit Wegsperren- Purzel ließ sich nicht beirren. Es gab Tage, da hatte sie gute Laune und war ein sanfter Familienhund. Doch diese Tage waren selten, meistens war sie mürrisch und zänkisch. Und sie fühlte sich wohl dabei. Irgendwann haben wir es aufgegeben, ihr Wesen zu ändern, wir nahmen sie so, wie sie war! Ein mißmutiges, kleines Weib!!
Nun gibt es ja Alltagssituationen, wo der Mensch das Sagen haben muss. Ein vom Spaziergang schlammiger Hund muss in die Badewanne, um abgebraust zu werden. Hm- Purzel war da ganz anderer Meinung. Und ich fand einen Trick!
Ich ärgerte sie mit einem alten Lederhandschuh. In diesen biss sie angriffslustig und ließ nicht mehr los.
Sie schüttelte wütend ihre Beute und merkte gar nicht, dass sie plötzlich in der Badewanne stand. Wenn das Wasser lief, wurde unsere Diva zum ärmsten Hund der Welt. Sie zitterte, wurde noch kleiner und ich konnte sie mühelos säubern. Trocken rubbeln ging nur eine Minute- dann wurde sie wieder die Alte. Ihr inzwischen wieder langes, seidiges Fell war nach der Dusche noch nass. Um zu verhindern, dass sie unser ganzes Haus "putzte", stopfte ich sie in ein altes Kopfkissen und legte sie ins Körbchen zum trocknen.
Nach einiger Zeit fing das Kissen an zu leben! Purzel veranstaltete ein "Tänzchen" und schaffte es immer wieder , mit Kopfkissen durch die Küche zu wandern!
Des öfteren hat sie meine Hand erwischt, wenn ich sie wieder befreien wollte.
Am abenteuerlichsten war es, sie zu kämmen! Ihr seidiges Fell war pflegeaufwendig! Das gestaltete sich folgendermaßen! Ich hob sie hoch und stellte sie auf die Fensterbank. Nicht, dass Ihr denkt, ich hätte einfach so normal mit einem Kamm arbeiten können! Das hätte ich nicht unverletzt überlebt! Der Kamm war an einen Kochlöffel fest gebunden, um meine Hand nicht in Reichweite ihres Mäulchens zu haben. Immer wieder fuhr ihr Köpfchen herum und biß in den Kamm. Ihr Zorn steigerte sich. Und dann ließ sie den Kamm nicht mehr los, gab Töne von sich wie ein Außerirdischer und wurde zum wütenden Etwas.
Das war der Zeitpunkt, wo die Pflegeprozedur beendet werden musste.
Ich hob sie auf den Boden und es gab Tage, das hatte sie noch nach einer Stunde den Kamm im Mäulchen und bearbeitete ihn als "Trophäe"!
Solange sie die Menschen nicht beachteten, konnte auch Besuch kommen. Bis auf eine Ausnahme! Das war Timo! Ein junger Tierschützer, der sich um große Hunde kümmerte, die Verhaltensauffälligkeiten zeigten. Er hatte ein Gefühl für diese Tiere. Bis auf Purzel! Sie hasste Timo und wenn sie ihn an der Hose hatte, dann ging es der Hose wie dem Kamm- sie ließ nicht mehr los. Und wenn sie ein Stück Fleisch mit erwischt hatte, dann gab es immer einen blauen Fleck.
Durch ihr kurzes Mäulchen und den Vorbiss hatte sie nicht viel Beißkraft. Und als ob sie das wüsste, hielt sie das Stückchen Bein fest im Maul und drehte den Kopf. So war schnell ein blauer Fleck "gedreht"!
Wen Timo kam, sperrte ich Purzel normalerweise weg. Manchmal vergaß ich es und sie lauerte Timo auf. Der flüchtete vor dem Monsterchen auf die Innentreppe unseres Hauses. Purzel konnte keine Treppen laufen. Und Timo musste ausharren, bis die kleine Kämpferin von mir entfernt wurde. Was auch nicht ganz einfach war!
Nie werde ich vergessen, wie Purzel keifend hinter Timo her lief und ihn bis ins Badezimmer verfolgte. Timo sprang auf die Badewanne und rief: tun sie das Tier weg! Purzel hätte den armen Timo voll ins Bein gebissen, wenn sie ihn erwischt hätte. Was für ein Glück, dass Purzel fünf und nicht fünfzig Kilo wog.
Fünf Jahre mit Purzel waren aufregend, manchmal ärgerlich- aber diese süße Persönlichkeit war zauberhaft- trotz all ihrer Macken. Wir haben keinen Tag bereut, dass wir sie aufgenommen haben. Sie hatte ein schönes Leben bei uns mit all den anderen Hunden und Katzen. Ich bin sicher, im Hundehimmel mischt sie auch wieder alles auf. Und während ich schreibe, schaut sie vielleicht auf mich herunter und reibt sich die Pfötchen vor Schabernak.
Kleine Purzel, die warst einmalig und bist unvergessen.

 

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