Kapitel 24

Wie ein Vogel einen Polizeieinsatz auslöste!

Täglich bekam ich Anrufe, die aus dem Rahmen fielen. Eine aufgeregte Frauenstimme- in ihrem Garten sei ein komischer Vogel! Hm, war es ein Mensch- genannt komischer Vogel? Konnte nicht sein, die Dame rief ja beim Tierschutz an!
Sie beschrieb mir den "gefiederten Gast", der sie so in Angst und Schrecken versetzte, laut schrie und nicht scheu war. Lustig war die besorgte Frage, ob er vielleicht Tollwut hätte! Der Beschreibung nach war es ein Graupapagei.
Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter, ehemaliger, amerikanischer Soldat mit dunkler Hautfarbe, wenig deutsch sprechend, erklärte sich bereit, den zahmen Vogel zu fangen. Ausgerüstet mit Lederhandschuhen, Fangnetz und Käfig, machte er sich auf den Weg. Er kam und kam und kam nicht wieder. Nach Stunden kam er nicht alleine zurück, er wurde von der Polizei gebracht. Was war geschehen?
Er klingelte bei der Anruferin, die den Vogel gemeldet hatte. Doch der Papagei war nicht mehr in ihrem Garten, sondern zwei Gärten weiter.
Die Safari konnte beginnen. Leichter gesagt als getan. Zwar trippelt der Vogel gemütlich auf der Wiese, doch argewöhnisch beobachte er, was um ihn herum passierte. Kam das Netz zum Einsatz, flog er auf einen Baum!
Die Strategie wurde gändert. Der "Vogelfänger" robbte auf dem Bauch, das Netz im Anschlag! Als Soldat war ihm das Robben in Fleisch und Blut übergegangen.
Doch auch diesen Trick durchschaute der Vogel schnell. Ganz gemütlich ging er im Gras spazieren, von einem Garten in den anderen. Unser braver Joe immer hinter her! Wohl gemerkt auf dem Bauch, das Netz vor sich her schiebend.
Fast hätte er den gefiederten Flüchtling gefangen, da ertönte gellendes Geschrei! Eine junge Frau lag im Evakostüm auf ihrer Terrasse und sonnte sich,
Sie brüllte Joe an und fragte ihn, was er in ihrem Garten zu suchen hätte.
Die Antwort- fange Vogel, will nix kommen- veranlasste sie, ins Haus zu flüchten. Sie rief die Polizei und erklärte: in meinem Garten krabbelt ein Farbiger auf der Wiese, hat so ein komisches Ding in der Hand, pfeifft und ruft laut : komm, Vogel komm!
In Windeseile war die Polizei da. Sie beobachteten die Szene eine Weile und stellten dann den armen Joe zur Rede! Zunächst waren die Beamten mißtrauisch. Doch als auch sie den Papagei hörten und sahen, glaubten sie Joe. Die junge Frau beruhigte sich- inzwischen gut bekleidet!
Die netten Beamten halfen bei der "Kleintierjagd" und gemeinssam gelang es, den Vogel einzufangen.
Um aber ganz sicher zu sein, dass das Tierheim wirklich der Auftraggeber der Fangaktion war, brachten sie Joe und Papagei ins Tierheim.
Ihr könnt Euch vorstellen, dass diese Aktion noch lange Gesprächsthema war und immer wieder für Lachen sorgte.
Der Graupapagei wurde in der Voliere untergebracht, wo auch Hühner, Meerschweinchen und Kaninchen Zuhause waren.
Ich ging zu dem Vogel und sprach ihn an. Es war der Beginn einer großen Freundschaft zwischen ihm und mir. Er legte sein Köpfchen schief und wippte auf seiner Stange. Völlig unerwartet sagte er klar und deutlich: ich heiße Coco!
Ich hielt ihm die Hand hin. Sofort ging er auf die Hand, lief auf dem ausgestreckten Arm auf meine Schulter und begann, an meinem Ohr zu "knuspern"- ganz zart. Ich ließ sich streicheln und genoss sichtlich meine Gesellschaft.
Er wurde zum Star im Tierheim Er pfiff Marschmusik, Operettenlieder und sprach viele Sätze! Sein Lieblingslied war: ich bin verrückt mein Kind! Immer wieder rief er: ich heiße Coco! Ich brachte ihm : und wie heißt Du?
Nach kurzer Zeit stellte er sich nicht nur vor, sondern fragte:
und wie heißt Du?
Der sprachbegabte Vogel lernte krähen, die Töne der Meerscweinchen und Hühner nach zu ahmen. Er bellte, miaute, rief das Personal konnte so täuschend echt das Telefonklingeln nachahmen, dass wir immer wieder zum Telefon gerannt sind. Wie oft kam Herr Schneider im Eiltempo, wenn Coco rief: Lothar! Er dachte, seine Frau ruft ihn!
Während der Besuchstzeit im Tierheim, ja sogar am Tag des Sommerfestes, saß Coco auf meiner Schulter oder auf meinem Kopf und störte sich nicht an den Besuchern. Von manchen Menschen ließ er sich anfassen, andere biß er in den Finger.
Er war ein rundum glücklicher und gesunder Papagei, sah wunderschön aus mit seinem glänzenden Gefieder, wo keine einzige Feder fehlte.
Coco hatte eine Lieblingsspeise, wie ich durch Zufall heraus fand. Joghurt mit Kirschen! Aber bitte nur mit Kirschen! Täglich brachte ich ihm ein Becherchen mit. Genüsslich aß er vom Kaffeelöffel die süße Speise. Einmal brachte ich ihm Joghurt mit Himbeeren mit. Er hatte den ersten Bissen im Schnabel, da wurde er sauer! Er schüttelte den Kopf und dekorierte mich im Gesicht mit weißen Flecken! Er schimpfte mit mir! Doch schnell ließ er sich wieder kraulen und ich versprach ihm, das sich meine Unachtsamkeit nie mehr wiederholt.
Einige Jahre lebte Coco glücklich und zufrieden im Tierheim.
Als ich mein Amt als Vorsitzende zur Verfügung stellte, wollte ich noch immer ein bißchen ehrenamtlich helfen, so wie bei meiner Anfangszeit im Tierschutz. Und Coco lag mir so sehr am Herzen! Er hatte mich als Partnerin ausgesucht, ich wollte und konnte ihn nicht im Stich lassen
So besuchte ich ihn jeden Tag und brache ihm seinen Lieblingsjoghurt. Als ich eines Tages zu seiner Voliere ging, war kein Coco mehr da. Die damalige Tierheimleiterin sah mich zynisch an und ließ mich ohne eine Wort der Erklärung gehen. Auf meine erstaunte, ja ängstliche Frage nach Coco antwortete sie mit kaltem Lächeln: er ist in Wieseck bei den Vogelfreunden. Da gehört er hin! Mir zog es die Füße unter dem Boden weg! Das durfte doch nicht war sein!
Ja, es ist richtig, dass ich für diese Person eine strenge Chefin war- weil es sein musste! Nun wollte sie mich strafen und strafte den unschuldigten Coco, indem sie ihm seine Heimat nahm.
Als ich mich einigermaßen von dem Schock erholte hatte, fuhr ich mit klopfendem Herzen zu der Anlage der sog. Vogelfreunde. Ich war fest entschlossen, Coco mit zu mir nach Hause zu nehmen.
Ich ging mehrmals durch die Anlage und rief ihn. Coco hatte immer auf meine Stimme reagiert und geantwortet. Beunruhigende Stille! Wo war Coco? Endlich fand ich ein Mitglied des Vereins. Mit Eiseskälte bekam ich die Antwort: der Vogel lebt nicht mehr. Der war ja auch schon alt!
Das war sicher nicht der Grund! Coco war in einem besten Papageienalter!
Der immer fröhliche und intelligente Coco hat den Ortswechsel nicht ertragen. Er wollte nicht mehr leben. Er hatte alles verloren, was er geliebt hat. Seine Umgebung, die anderen Tiere, Menschen, die er kannte. Und mich! Ich kann mir bis heute nicht verzeihen, dass ich ihn nicht mitgenommen hatte, mitgenommen zu mir nach Hause. Dann würde er vielleicht noch heute leben, denn Papageien werden sehr alt.
Niemals werde ich der Frau diese tierschutzwidrige Aktion verzeihen und auch nicht meiner damaligen Nachfolgerin, die es zugelassen hat.
Ja Frau K. mich wollte sie strafen für mein strenges Regiment im Tierheim, streng und zum Wohl der Tierheimtiere. Bestraft hat sie ein unschuldiges Tier! Sie hat einen wunderbaren Papageien in den Tod geschickt. Eines von mehreren Verfehlungen.
Doch nichts bleibt im Leben ungesühnt. So musste auch Frau K. das Tierheim verlassen, weil das Arbeitsgericht der Kündigung zustimmte.

Kapitel24

 

 

   
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