Kapitel 29
Auch nur ein Kätzchen!
Es gibt Geschichten, die man nie vergißt! Und dazu gehört die Sache mit dem Puma!
Pumas leben doch in Kanada oder Südamerika meint Ihr? Eigentlich schon- habe ich bis 1993 auch gedacht! Doch dann wurde ich eines besseren belehrt. Ich erhielt den Anruf eines aufgeregten Amtsveterinäres aus Herborn. Er suchte meinen Rat und meine Hilfe! Zunächst glaubte ich an einen verspäteten Aprilscherz, als er mich fragte, ob ich einen Puma artgerecht unterbringen könnte.
Einen lebenden, erwachsenen Silberlöwen?
Ich frage ihn noch scherzhaft: "Na klar doch, wieviele haben Sie denn davon?" Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann ein zaghaftes: " Einen, aber mit dem weiß ich auch nicht wohin"!
Die Geschichte des Pumas war traurig! Damals gab es noch keine klaren Richtlinien über die Einfuhr und Haltung von Exoten.So vegetierten Affen und Raubkatzen in Verschlägen, bis es zur Anzeige kam.
Dieser Puma wurde als Baby angeschafft zum Knuddeln und Spielen. Es wurde gehalten wie ein Kätzchen. Nur wurde aus dem Kätzchen, über dessen Fauchen und "spucken" sich alle amüsierten, schnell eine wehrhafte Raubkatze, die Menschen in ihrer Nähe ablehnte. Als es zu Konfliktsituationen zwischen den Menschen und Puma Elsa kam, sperrte man das Tier in einen viel zu kleinen, dunklen Stall.
Hier vegetierte die wunderschöne Katze dahin, allein, ohne Ansprache und Beschäftigung.. Aufgrund der nicht artgerechten Haltung zeigte das Tier schnell Verhaltensauffälligkeiten , lief monoton am Gitter hin und her, magerte ab und wurde unberechenbar.
Die geforderten Auflagen des Veterinäramtes lehnte der Halter ab. Eine Verbesserung der Lebensbedingungen des armen Tieres interessierten diesen Mann nicht.
So musste er das Tier abgeben, das Amt zog den Puma ein. Jetzt war guter Rat teuer! Wohin mit der Raubkatze?
Ein Anruf beim Hessischen Rundfunk "Herrchen gesucht" brachte zum Glück einen Lichtblick. Ein Großgehege in Köln wollte Else aufnehmen. Die dortigen Bedingungen und Haltungsformen waren großzügig und vertretbar und erlaubt.
Jetzt musste das Tier "nur" noch eingefangen und nach Köln gebracht werden.
"Sie machen das schon"- so der Kommentar des hörbar erleichterten Amtstierarztes, dem ein "Stein vom Herzen gefallen war"!
"Na klar"- der Tierschutz macht das schon, so der Kommentar von Tierärztin Rethorn.
Eine stabile Transportkiste wurde besorgt und der Frankfurter Zootierarzt erklärte seiner Kollegin die Zusammensetzung des Betäubungsmittels. Eine sog. Hellabrunner Mischung , eine Narkose für Wildtiere. So bewaffnet machten wir uns fröhlich gestimmt und zuversichtlich dem Tier helfen zu können, auf den Weg zur Nachbargemeinde.
Hier standen schon viele Schaulustige, denn es hatte sich herumgesprochen, dass der Puma "abgeholt" wird.
"Endlich wird das gefährliche Tier aus unserer Gemeinde entfernt! Wurde auch Zeit, dass der Tierschutz was tut!" Na klar doch, wozu sind wir auch da!
Der Halter von Else lehnte grinzend am Fenster und war nicht bereit, uns zu helfen.,
Also Bühne frei für den Tierschutz!
Else lief unruhig hin und her, grollend auf und ab am Zaun ihres Verschlages. Sie war übernervös durch die vielen Menschen.
Frau Rethorn füllte die Patrone des Narkosegewehres, zielte und schwups- der Pfeil steckte im Holz. Und Else wurde immer mürrischer- und schneller.
Um es auf den Punkt zu bringen- nach etlichen Fehlversuchen steckte der Pfeil im Popo von Else! Und was passierte? Else lief weiter hin und her und hin und her und grollte immer lauter. Zack, der zweite Pfeil traf die andere Poposeite!
Gespannt schauten wir Else in die Augen- und Elsa schaute zurück und lief hin und her und hin und her! Wütend fauchte sie uns an!
Mehr Narkosemittel hätte für Elsa gefährlich werden können. Ein Hilferuf an den Frankfurter Zoo: was machen wir nur falsch!
Während des Gespräches fing Else an zu wanken, schaute sich mit glasigen Augen um und legte sich friedlich hin. Wir konnten es kaum glauben , Else schlief und schnarchte!
Schnell öffneten wir todesmutig die Tür zum Verschlag und tippten Else an! Schläft sie auch wirklich? Ja, sie schlief- tief und fest- glaubten wir!
Zum Schutz vor Austrockung schnell Salbe in die Augen und ab in die Kiste! Wir wunderten uns noch, wie leicht ein Puma ist, legten sie vor die Transportbox und öffneten die Tür, um die Katze sicher zu verpacken.
Hätten wir die Kiste nur vorher geöffnet! Mit einem Satz sprach die Katze auf! Und wir standen uns gegenüber. Der Spruch von Humphrey Bogart fiel mir kurioserweise ein: Schau mir in die Augen Kleines- als ich in die funkelnden Augen von Elsa sah!
Im Bruchteil einer Sekunde sprang meine langjährige Weggefährtin, zweite Vorsitzende des Tierschutzvereins und Tierärztin, eine absolut soziale Frau, mit einem olympiareifen Satz in die Behausung von Else, schloss fest die Tür hinter sich und rief mir tröstend zu: "Bleiben Sie ganz ruhig stehen, bewegen Sie sich nicht, dann tut der Puma Ihnen auch nichts"!
Na toll, dachte ich noch, hörte im Geiste schon den Krankenwagen und sah mich blutend am Boden liegen, als Else langsam Zentimeter für Zentimeter auf mich zu wankte.
Keine Rettung möglich, ging mir durch den Kopf. Ich sah im Augenwinkel den höhnisch grinzenden Pumabesitzer am Fenster lehnen und tröstete mich damit, dass mein Adrenalinspiegel so hoch war, dass ich keine Schmerzen verspüren würde , wenn Else zubiss. Ich spürte schon ihren Atem, als sie mich berührte. Jetzt ist es soweit, dachte ich noch, als Else anfing zu wanken und umfiel.
Meine tapfere Frau Rethorn kam aus dem Zwinger gerannt und in Windeseile verstauten wir die tief schlafende Else in der Box. Ab ins Auto und nichts wie weg vom Ort des Geschehens. Das wäre geschafft dachten wir noch als wir auf der Autobahn Richtung Köln auffuhren.
Wirklich?
Else wurde wach, rumorte in ihrer Kiste, gab unlaubliche Töne von sich, drehte und wendete sich, dass die ganze Box hin und her schwankte und schaukelte wie ein Schiff auf hoher See.
Ich saß wie ein Mäuschen auf dem Beifahrersitz, Frau Rethorn gab Gas, umklammerte das Lenkrad und sagte leise flehend: " Lieber Gott, ich weiß ja nicht, ob ich an Dich glaube, aber mach, dass die Kiste zubleibt!"
Tatsächlich kamen wir heil in Köln an. Else bezog ihr neues, wunderschönes Domizil, verabschiedete sich von uns mit einem tiefen Grollen und verschwand in ihrem Haus.
Wir haben sie später noch einmal besucht. Sie würdigte uns keines Blickes und ging in die hinterste Ecke ihres Geheges.
Sie hat die Aktion sicherlich nicht vergessen. Aber wir auch nicht!
Oft haben wir noch lachend über unser Erlebnis gesprochen. Und Elsa hat viele Jahre ein schönes Leben gehabt.
Heute darf kein Privatmann mehr Puma und Co. halten.
Zum großen Glück für die Tiere und die armen Tierschützer!