Kapitel 8
Seit dem Sommerfest war täglich Betrieb im Tierheim. Das Tierheim fing an zu leben!
Wieviel Kritik musste ich verkraften, als meine Idee umgesetzt wurde, in einem Tierheim ein fröhliches Fest zu feiern! Mein Kampfgeist siegte- und wie richtig war meine Entscheidung!
Die Menschen hatten ihre Scheu verloren, das Tierheim wurde zu einem Ausflugziel! Mit den Hunden spazieren zu gehen zu einer festen Institution!
Das Image, dass Tierheimhunde gestörte Tiere seien, zerplatze wie eine Seifenblase!
Es sprach sich herum, wie toll die meisten Hunde sind, familientauglich und freundlich zu Kindern!
Die Jugendgruppe und das Pflegerpaar leisteten hervorragende Arbeit! Durch die Beschäftigung mit den Tieren zeigten sich ihre Charaktereigenschaften, ihr Temperament und ihre Gelehrigkeit. Sie bekamen Vertrauen zu den Menschen, gewannen an Lebensfreude und ihr soziales Verhalten wurde gestärkt.
Das blieb auch bei der Presse nicht unbemerkt! Es gab immer etwas zu berichten! Traurige, aber auch lustige und interessante Berichte standen fast wöchtenlich in der Zeitung.
Einige der Hunde waren schwerer zu vermitteltn. Das lag an ihrer Größe, an ihrem Alter und ihrer Vorgeschichte. Ein Hund, der immer im Zwinger lebte, ist nicht stubenrein. Das schreckte viele Familien ab. Wie also auch diese Hunde den Menschen näher bringen?
Wozu haben wir die Presse! Es wurde der wöchentliche Bericht "Suchhund der Woche" ins Leben gerufen!
Die Zeitungsleser wurden aufmerksam und neugierig! Gefiel der Hund optisch oder seine Geschichte rührte das Herz, fand man den Weg ins Tierheim, um den "Zeitungshund" zu besuchen.
Spätenstens nach dem zweiten Besuch und Kontakt zu dem Hund, begann die Zuneigung! Der Hund freute sich übermütig, wenn der bekannte Mensch kam. Und rührte somit das Herz dieses Menschen. Es begann die Liebe zwischen Zwei- und Vierbeiner zu keimen wie ein zartes Pflänzchen! Wenn dann der Satz fiel: ich will wieder mit meinem Hund Gassi gehen- war der Tag der Vermittlung nicht mehr weit. "Suchhund" der Woche musste in den meisten Fällen nicht mehr suchen. Er hatte sie gefunden- seine Familie.
Frau Reusch und der übrige Vorstand bedrängten mich immer mehr, den Vorsitz des Vereins zu übernehmen. Besonders der charmante Willi Groß verstand es mit Wiener Charme, mich "ein zu lullen"!
Der elegante Geschäftsmann war damals bei der Giessener Damenwelt sehr beliebt. Ich muss gestehen, auch ich schwärmte ein bißchen für ihn!
Aber ich konnte den Wunsch, Vorsitzende zu werden, nicht erfüllen! Das wäre dem Verein gegenüber nicht fair gewesen. Ich hatte keine Ahnung von Vorstandsarbeit. Ich traute mir nicht zu, ein Tierheim zu leiten, Verantwortung für Menschen und Tiere zu übernehmen.
Wie oft lag ich nachts wach und grübelte. Und dann kam er wieder, der kleine Igel! Wäre ich damals nicht mit meinen Hunden spazieren gegangen, hätte ich den Igel nicht gefunden und niemals Kontakt zum Tierheim bekommen. Doch so schnell, wie diese Gedanken gekommen waren, verschwanden sie wieder. Das Tierheim und seine Insassen waren meinem Herz sehr nah.
Das Tierheim gehörte inzwischen zu meinem Leben. Die Zeit dort fest in meinen Tagesplan eingeteilt. Nicht nur die Tiere hatten mein Leben bereichert, auch die vielen tollen Menschen, die ich kennen gelernt habe, waren aus meinem Leben nicht mehr weg zu denken.
Der Umgang mit den Besuchern , die vielen schönen Gespräche, die Glücksmomente der Vermittlung, sie haben mein Leben im positiven verändert! Diese soziale Aufgabe erfüllte mich, sie gab meinem Leben einen Sinn.
Aber Vorstandsmitglied- nein- das traute ich mir nicht zu, auf keinen Fall!
Frau Reusch war unglücklich, weil sie keine Lösung sah. Weitermachen kam nach 25 Jahren für sie nicht mehr in Frage. Sie war müde, ausgebrannt und nun auch hilflos.
Zaghaft fragte sie mich, ob ich ihr helfe, einen neuen Vorsitzenden oder Vorsitzende zu finden. Ich muss so verdutzt geschaut haben, dass Frau Reusch mir zaghaft über den Arm streichelte, mich in den Arm nahm und mir leise ins Ohr flüsterte: Oh Gott, was mache ich denn nun!
Du liebe Zeit, Vorsitzende fallen doch nicht vom Himmel !
Da wohnt zwar der liebe Gott- aber ob er diesen Hilferuf da oben gehört hat? Nein, sicher nicht!
Doch Hilfe kam! Vielleicht hatte der liebe Gott doch seine Finger im Spiel!
Sie kam in Form eines Esels. Jetzt staunen Sie! Das will ich gerne glauben! Sie erfahren es im nächsten Kapitel!