Kapitel 47
 
Unser Sonnenscheinchen Julchen!
 
Ich erhielt einen Anruf von einem Postzusteller, dass in Rödgen ein winziger Welpe an einer dicken Eisenkette, angebunden an einen Autoreifen, ohne Wasser oder eine Hütte jämmerlich jaulte. Verzweifelt würde das Hündchen versuchen, sich zu befreien. Aber die Kette sei fast schwerer als der kleine Hund. Leider habe er keine Möglichkeit, den Hund zu befeien, sonst würde er ihn einfach mitnehme und dem Tierschutz übergeben. Er bat mich inständig, mich um den kleinen Wurm zu kümmern.
Ich fuhr umgehend zu der angegeben Adresse. Zunächst fand ich das beschriebene Haus nicht, es lag außerhalb von Rödgen.
Ich parkte mein Auto und ging zu Fuß die Strasse entlang. Dann hörte ich ein Fiepen und klägliches Heulen. Ich rief das Hundchen und seine immer lauter werdende Stimme, die in ein "Wolfsgeheul" überging, führte mich zu dem kleinen Wurm.
Der Welpe stand mühselig auf den Hinterbeinchen, die schwere Kette drückte ihn immer wieder nach unten.
Ich hatte Leckerchen dabei, die sie- es war ein Mädchen, gierig aus meiner Hand nahm. Das Tierchen musste schon länger an diesem Ort fest gebunden sein. Überall war Kot und Urin. Weder Futter noch Wasser waren vorhanden. Es fehlte eine Hütte, das arme Ding war Wind und Wetter ausgesetzt. Das Anwesen machte einen gepflegten Eindruck, die Haltung des Hündchens passten so gar nicht in das Bild.
Ich klingelte , klopfte und rief- doch es war niemand Zuhause.
Eine günstige Gelegenheit, den Hund sang- und klanglos mitzunhemen . Wer viel fragt, der geht viel irr- wie das Sprichtwort sagt.
Ich hatte einen Bolzenschneider im Auto. Den hole ich jetzt, dachte ich mir- und schneide den Welpen los.
Doch dazu kam es nicht, plötzlich stand ein wuchtiger, unsympathischer Mann vor mir und drohte mir, mich wegen Hausfriedenbruchs anzuzeigen. Seine keifende Frau feuerte ihn noch an. Sie schimpfte wie ein "Rohrspatz"! Ich kam gar nicht dazu, mich vorzustellen, um diese unsympathischen Menschen über die Haltung eines Hundes aufzuklären. Als ich das Wort Tierschutz nur aussprach, gingen diese Leute hoch wie eine Rakete und bedachten mich mit lauten netten Worten. Ich solle mich um die armen Kinder kümmern und nicht um Hunde. Das sei ihr Tier, mitdem sie machen können, was sie wollen.
Hier war jedes Wort überflüssig. So trat ich den Rückzug an. Gedanklich versprach ich dem Welpen, ihn nicht im Stich zu lassen.
Noch immer schimpfend ging das Ehepaar ins Haus, ohne nur einen Blick auf das Hundekind zu werfen. Dieses versuchte verzweifelt, hinter seinen Menschen herzulaufen.
Noch in einiger Entfernung hörte ich das Jammern und die klirrenden Töne der Kette.
Das Veterinäramt wollte ich nicht verständigen. Die Auflagen, die gemacht werden, bevor ein Tier sicher gestellt wird, die hätten viel zu lange gedauert. Und ich war sicher, diese Leute hätten keine Veränderungen vorgenommen.
Was also tun? Ich verständigte eine Vorstandskollegin mit Zivilcourage! Die mussten wir auch haben, denn wir wollten den Hund einfach mitnehmen.
Heute kann ich das ruhig zugeben, es ist verjährt, das Jahr 1990 liegt weit zurück.
Zunächst kundschaften wir am nächsten Tag aus, zu welcher Uhrzeit diese Leute das Haus verließen. Zum Glück sehr früh am morgen, wo noch wenig Autoverkehr war.
Dann fassten wir allen Mut zusammen, fuhren schon an dem darauffolgenden Tag zu dem Haus, "bewaffnet" mit Bolzenschneider und Körbchen sowie eine Decke, um unser "Diebesgut" zu verbergen.
Die Aufregung legte sich sofort, als wir das kleine Tier sahen, was ergeben in der Mitte des Reifens saß. Wieder von Wasser und Futter keine Spur. Als wüsste es, um was es ging , jaulte und bellte es nicht. Mucksmäuschen still saß es da. Es war gar nicht so einfach, die dicke Kette mit dem Bolzenschneider zu zertrennen. Diese saß so eng um den dürren Hals , dass wir sie dort nicht durchtrennen konnten. Wir hatten Angst, den Winzling zu verletzen.
Als die Tat geglückt war, stopften wir die Kleine in die Box mit Kette um den Hals und ein Stück baumelte noch herunter. Leckerchen lagen im Korb!
Unentdeckt fuhren wir mit unserer Beute ins Tierheim. Es war klar, dort konnte sie nicht bleiben. Wenn sie gesucht werden sollte, dann zunächst im nahe gelegenen Tierheim. Und so wie sich die Besitzer gezeigt hatten, waren das keine Leute, die ihren Besitz freiwillig aufgaben oder bereit waren, in der Haltung etwas zu ändern.
Also nahm ich Julchen, wie sie inzwischen getauft wurde, mit nach Hause. Unsere Katzen beobachteten die Kleine argwöhnisch. Sah sie doch so anders aus wie unser Pyrinäenberghündin Sari, die wir vor drei Monaten aufgenommen hatten
Mein "tiertschutzgeschädigter" Mann rollte mal kurz mit den Augen- sagte aber nichts. Hätte auch nicht geholfen. Das Tier, was einmal unser Haus betritt, das bleibt auch.
Julchen war ein süßer, zärtlicher und sehr schüchternen Welpe. Aber- ehrlich gesagt, sie war ja so häßlich! Sorry, aber der Wahrheit muss man ins Auge blicken. Die Ohren waren viel zu weit oben am Kopf,- und dieser passte überhaupt nicht zu dem dünnen Körperchen! Die Füße waren überproportional dick und groß und passten nicht zu den dünnen Beinchen. Das Haarkleid war schütter und glanzlos. Irgendwie sah sie aus, als habe man aus restlichen Bestandteilen einen Hund zusammen gesetzt.
Doch ihr mißlungenes Äußeres machte sie wett durch ein zauberhaftes Wesen. Sie wickelte uns alle, einschließlich Sari und den Katzen um die Pfötchen! Sie hatte ein Wesen, dass man nie böse sein konnte, wenn sie etwas anstellte.
Die anfängliche Schüchternheit war schnell vorbei. Sie entpuppte sich als Wildfang, die wie ein aufgezogenes Spielzeug von "Termin zu Termin" rannte. Der Garten war ihr Spielplatz und toll geeignet zu buddeln und sich schmutzig zu machen.
Und sie hatte ein Hobby! Blumenzwiebel ausbuddeln! Ich glaube, sie wäre ein toller Trüffelhund geworden. Denn zielsicher fand sie die Zwiebel! Und ordentlich legte sie diese auf einen Haufen.
Alle unteren Zweige der Sträucher und Hecken wurden abgenagt und deponiert! Man konnte annehmen, sie sammelt Brennholz für den Winter!
Sie entdeckte schnell unseren Teich und erfüllte ihn mit Leben! Ein heller Hund ging ins Wasser und kam als grüne "Undine", geschmückt mit Algen und Wasserpflanzen wieder heraus!
Sie war jeden Tag für eine Überraschung gut.
Die Spaziergänge waren ein Abenteuer! Und diese wollte sie auf eigene Faust erleben! Das heißt, unser Hund war beständig verschwunden, aber hörbar!
Die ruhige und ausgeglichene Sari konnte da nicht mithalten. Aufgeregt wurde sie nur, wenn ihre kleine Freundin weder zu sehen, noch zu hören war.
Julchen hatte sich inzwischen zu einer kleinen Schönheit entwickelt. Sie sah aus wie Susi von Walt Disney aus dem Zeichentrickfilm Susi und Strolch. Wir denken sie war ein American Cocker Mischling.
So wurde aus dem häßlichen Entlein war ein schöner Schwan geworden.
Jeder, der sie beim Spaziegang nur ansah, musste lächeln. Sie hatte eine unglaubliche Mimik! Sie konnte so grimmig schauen, als wolle sie im nächsten Moment zuschnappen. Sie konnte beleidigt sein, wenn sie ihr schlaues Köpfchen nicht durchsetzen konnte. Und sie konnte lächeln! Wenn sie uns mit schrägem Kopf und ihren schwarzen Kulleraugen ansah, da schmolzen wir dahin. Und das wusste sie!
Das Ergebnis war, dass wir einen unerzogenen, "herrischen" kleinen Hund hatten, dem man niemals böse sein konnte! Da sie super lieb war und auch die Spaziergänger betörte, hatten wir niemals Probleme.
Selbst Menschen, die nicht unbedingt Hundeliebhaber waren, schimpften nicht, wenn sie überschwenglich freudig an den Leuten hoch sprang!
Sauber blieb sie nicht lange. Nach Cockerart liebte sie Wasser! Und selbst in einer sommerlichen Trockenperiode fand sie noch eine Pfütze, in der sie sich wie ein Frischling wälzte.
Sie war unser geliebtere "Sauhund", der sich sauwohl fühlte, wenn sie vor Dreck erstarrte.
Zum Glück hat sie gelernt, dass sie niemals ohne Genehmigung nach einem Spaziergang oder einer Spielrunde im Garten, ins Has durfte. Der Weg ins Körbchen führte zuerst unter die Dusche. Und da Julchen nicht bereit war, sich abtrocknen zu lassen, stopfte ich sie in ein altes Kopfkissen, dass nur der Kopf herausschaute. So musste sie im Körbchen bleiben, bis sie trocken war. Der Blick von ihr ging von herzzerreißend bis stinkesauer!
Sie begleitete mich in das Altersheim und bereitete den alten Menschen viel Freude und Abwechslung. Über ihre kleinen Kunststücke haben die Senioren und Seniorinnen herzhaft gelacht. Wo Julchen auftauchte, lachte sogar die Sonne!
Fünfzehn Jahre bereicherte sie unser Leben! Und ich habe nie bereut, zum Dieb geworden zu sein. Sie war ein fünf Kilo leichtes Geschenk mit einem Hundeherz aus Gold.
Ich bin sicher, dass sie auch im Hundehimmel der erklärte Liebling ist, der gute Laune verbreitet!
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